nd-aktuell.de / 23.03.2018 / Berlin / Seite 9

Hebammen werden dringend gesucht

Abgeordnetenhaus spricht über Geburtshilfe

Nicolas Šustr

»Immer häufiger wird die Geburt für werdende Eltern zum stressigsten Moment«, sagt der FDP-Gesundheitsexperte Florian Kluckert am Donnerstag im Abgeordnetenhaus. »Wenn die Hebammensuche länger dauert als die Schwangerschaft - Die Geburtshilfe in Berlin braucht dringend Hilfe!«, so überschreiben die Liberalen das Thema der Aktuellen Stunde. Statt konkrete innovative Ideen zur Lösung des Hebammenmangels zu entwickeln, habe der Senat einfach nur einen recht unkonkreten Zehn-Punkte-Plan entwickelt, lautet der Vorwurf.

SPD-Gesundheitspolitiker Thomas Isenberg räumt das »Versagen der öffentlichen Gesundheitsorganisation in einem kleinen Bereich« ein, macht aber hauptsächlich den ehemaligen Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) dafür verantwortlich. Erschreckt habe er bei den Beratungen des Gesundheitsausschusses festgestellt, wie viel bei den Kollegen der Union liegengeblieben sei. Isenberg verweist aber auch auf die 20 Millionen Euro aus den Mitteln des Sonderfonds SIWANA, die in den Ausbau von sechs Kreißsälen fließen sollen.

Lange habe sich Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) so hingestellt, als gebe es keine Probleme, beklagt Gottfried Ludewig, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Er habe allerdings große Sorgen, ob die angekündigten Investitionen nicht nur ein »Taschenspielertrick« seien. »Sie werden sich daran messen lassen müssen, ob diese 20 Millionen Euro noch dieses Jahr für die Kreißsäle zur Verfügung stehen werden«, sagt Ludewig.

LINKEN-Gesundheitsexperte Wolfgang Albers will Zahlen sprechen lassen. 2015 habe es im Durchschnitt 104 Geburten pro Tag gegeben, im Folgejahr stieg die Zahl auf 112 täglich, um 2017 wieder leicht auf 110 Neugeborene pro Tag zu sinken. 1,33 Geburten pro vorhanden Platz in Kreißsälen habe es im vergangenen Jahr gegeben. »Wie sich bei dieser Datenlage ein Ausnahmezustand für Schwangere konstruieren lassen kann, erschließt sich mir nicht«, so der ehemalige Chirurg Albers. Außerdem sei in den Listen der Hebammenverbände nicht einmal die Hälfte der freiberuflich tätigen Geburtshelferinnen verzeichnet. Es sei »völlig unklar«, warum.

Herbert Mohr, gesundheitspolitischer Sprecher der AfD, spannt thematisch einen weiten Bogen. Nachdem er sich zu den Kosten des BER ausgelassen hat führt er die Engpässe bei Hebammen vor allem auf höhere Geburtenraten bei Migranten zurück. »Wir werden nicht tatenlos zuschauen, wie ein Stadtteil nach dem anderen in der Bevölkerungszusammensetzung kippt«, droht er.

»Bei allem Respekt, werte Herren, wir Frauen wollen uns 2018 nicht mehr erklären lassen, was gut für uns ist«, sagt Grünen-Fraktionschefin Silke Gebel, die selber im sechsten Monat schwanger ist. »Wir können nicht einen Mangel an Hebammen attestieren und gleichzeitig akzeptieren, dass Kliniken sie zu Putz- und Aufräumarbeiten verdonnern«, erklärt Gebel.

Gesundheitssenatorin Dilek Kolat (SPD) verteidigt den im September 2017 einberufenen Runden Tisch, der diesen Plan erarbeitete: »Wir haben einen sehr partizipativen Ansatz gewählt.« Der habe sich auch bewährt, denn das Ergebnis werde nun von allen Beteiligten mitgetragen und umgesetzt. Beim Thema Hebammen sei ein »gespaltenen Trend« in den letzten Jahren zu beobachten. 2007 seien 706 freiberufliche Hebammen in Berlin registriert gewesen, 2016 mit 1021 deutlich mehr. Aber die Zahl der tatsächlich aktiven, freiberuflichen Hebammen sei in der Zeit nur geringfügig gestiegen, von 601 auf 693.

Es gelte die Arbeitsbedingungen der fest angestellten Geburtshelferinnen zu verbessern, so Kolat. Darauf deute auch die sehr hohe Teilzeitquote hin. »Die Kliniken werden gemeinsam über den Austausch von Best-Practice-Beispielen eine Kultur der Wertschätzung für Hebammen weiterentwickeln«, kündigt sie an. Natürlich sei die Arbeit mit der Verabschiedung des Aktionsprogramms nicht getan.