nd-aktuell.de / 04.04.2018 / Berlin / Seite 9

Parlament für die Hosentasche

Abgeordnetenhaus hat einen neuen Flyer für Jugendliche entworfen

Maria Jordan

Landespolitik und Jugendliche - ist nicht unbedingt eine Verbindung, die immer auf natürliche Art entsteht. Doch die Politik braucht sie, die jungen Wähler, die Volksbegehrensantragsteller der Zukunft. Aus diesem Grund wagt das Berliner Abgeordnetenhaus jetzt einen neuen Annäherungsversuch an diese heterogene und geheimnisvolle Gruppe möglicher Neuwähler. Ein sogenannter Pocket-Flyer im Hosentaschenformat soll das Eis zwischen Legislative und Teenagern brechen.

In der Broschüre wird in aller Kürze und jugendgerechter Sprache die Struktur des Abgeordnetenhauses erläutert, vom Präsidenten über die Fraktionen zu den Fachausschüssen. Das Prinzip der Mehrheitswahl wird erklärt, sowie das wöchentliche Plenum und die Wahlberechtigung. Im Frage-Antwort-Stil wird vorgestellt, was Abgeordnete machen. Wer sind die? Was machen die? Was sind ihre Motive? So lauten die suggerierten Fragen der Jugendlichen. Der Flyer weiß Antwort: Die Abgeordneten, so heißt es darin, wollen »was bewegen, was verändern, mitentscheiden und sich einbringen«.

Dann holt der »AGH To Go«-Flyer zum finalen pädagogischen Schlag aus mit der Frage: Und was hat das alles mit mir zu tun? Eine spannende Frage für politikverdrossene Jugendliche. Das Abgeordnetenhaus beantwortet sie unter anderem mit einem Hinweis zum Petitionsausschuss, bei dem Bürger*innen Beschwerde einlegen können, die sich von der Verwaltung »ungerecht behandelt fühlen«. Es folgen Angebote, bei denen Heranwachsende »echte Politikluft« schnuppern können, wie ein Schülerpraktikum im Wahlkreisbüro, die kostenlose Führung durch das Abgeordnetenhaus für Schulklassen und der Live-Stream der Plenarsitzungen.

Eine weitere Spalte mit dem Titel »Face-To-Face mit Abgeordneten« wirbt für weitere partizipative Angebote wie die Simulation einer Ausschusssitzung mit Klassenkamerad*innen. Die Jugendlichen werden außerdem ermutigt, eine Abgeordnete in ihren Bürgerbüros zu besuchen.

Nicht selten tun sich staatliche Institutionen schwer damit, Jugendliche und junge Erwachsene auf eine angemessene Art anzusprechen. Man meint in den Ergebnissen, ob Pocket-Flyer, Werbespot oder Internetseite, eine unsichere Distanziertheit zwischen den Verantwortlichen und der Zielgruppe zu spüren. Langsam tastet man sich an sie heran, dabei aber immer betont lässig. Fetzige Schriftart, mutige Farbauswahl und das obligatorische Duzen. »Uns kannste besuchen«, zwinkert auch der To-Go-Flyer des Abgeordnetenhauses den Leser*innen entgegen.

Mit der Aufgabe, Jugendliche altersgerecht und trotzdem mit der nötigen Seriosität anzusprechen, hat das Abgeordnetenhaus eine PR-Agentur mit Sitz in Mitte beauftragt. Das Ergebnis kommt, wie zu erwarten, etwas gezwungen und aufgesetzt daher. Der Versuch, mit bekannten Mitteln bestimmte Knöpfe bei den Teenies zu drücken, wird offensichtlich.

Vermutlich von Lehrer*innen dankbar angenommen wird eine Art Rätsel sein, in dem ein unbekannter Abgeordneter seinen Arbeitsalltag schildert. Er ist Mitglied im Ausschuss für Inneres sowie für Stadtentwicklung und Wohnen, interessiert sich für die Menschen in seinem Kiez und hat einen Sohn im Kindergartenalter. Jetzt dürfen sicher viele Schüler recherchieren, ganz modern - mit dem Computer.