nd-aktuell.de / 05.04.2018 / Politik / Seite 2

Theresa Mays vergebliche Mühen

Die Golfmonarchien zeigen wenig Neigung, ihre Eigeninteressen einem Kalten Krieg zu opfern

Oliver Eberhardt, Tel Aviv

In Nordamerika, Europa und Russland packten Diplomaten gerade die Koffer, als im ägyptischen Präsidialamt in Kairo ein Fax des russischen Präsidenten Wladimir Putin einging: Erst wenige Minuten zuvor hatte die Wahlkommission die vorläufigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl bekannt gegeben; nun gratulierte Putin dem Wahlsieger Abdelfattah al-Sisi »zu dem wertvollen Vertrauen, dass Ihnen das ägyptische Volk entgegen gebracht hat«. Dass Sisi zwar mehr als 90 Prozent der Wählerstimmen zugeordnet wurden, die Wahlbeteiligung aber nur bei 40 Prozent lag - kein Thema: »Es ist die Optik, die zählt«, merkte ein in Israel stationierter britischer Diplomat frustriert an. Man hätte gerne, dass sich auch die Regierungen des Nahen Ostens in dem Konflikt mit Russland nach dem Giftanschlag auf den früheren russischen Spion Sergej Skripal deutlich auf der Seite des Westens positionieren.

Doch ganz gleich ob in Kairo, Tel Aviv, Amman, Riad oder den Golfstaaten - die Regierungen tun dies nicht. »Für uns gibt es keine Russland-Affäre«, sagt etwa ein Sprecher der Regierung Katars, und in Saudi-Arabien betont ein Sprecher des Kronprinzen und De-facto-Machthabers Mohammed bin Salman: »Unsere Beziehungen zu Russland sind sehr gut, und das werden sie hoffentlich auch für alle Zeiten bleiben.«

Dabei haben vor allem Großbritannien und die USA vieles versucht, um die Regierungen der Region ins Boot zu holen: Premierministerin Theresa May telefonierte ihre Amtskollegen ab; Diplomaten verfassten ungewöhnlich deutlich formulierte Communiqués, wurden in den Außenministerien vorstellig - offenbar vergeblich.

Die Regierungen Israels und Saudi-Arabiens veröffentlichten Stellungnahmen, in denen der Angriff auf den früheren russischen Spion Skripal verurteilt wird, erwähnten Russland aber mit keinem Wort. Es müsse zunächst »eine lückenlose Aufklärung der Ereignisse erfolgen, bevor wir uns ein Urteil erlauben«, sagt Bassam Rady, Sprecher des ägyptischen Präsidialamtes. In Jordanien und den Golfstaaten sieht man die Dinge auf Nachfrage ähnlich, und mehrfach fügt man an, dass man zuerst an die eigenen Interessen denken müsse, auch wenn das dem Westen möglicherweise nicht genehm sei.

Am deutlichsten wurde Israels Wohnungsbauminister Jo’av Galant: »In Israel leben mehr als eine Million Einwanderer aus Russland, die nach wie vor russische Staatsbürger sind.« Man schätze die engen Beziehungen zu den USA und den Staaten (West)-Europas, sei aber auch stolz darauf, dass die Rahmenbedingungen für eine Koexistenz mit Russland existieren; dies sei besonders deshalb wichtig, weil das russische Militär in den Syrien-Krieg involviert ist. Während Israels Premierminister Benjamin Netanjahu in der Öffentlichkeit demonstrativ eine tiefe freundschaftliche Verbindung zu US-Präsident Donald Trump zelebriert, ist es tatsächlich Putin, mit dem er am meisten spricht, um dessen Einfluss in Iran und Syrien zu nutzen: Man sieht die russische Regierung, die sich lange Zeit aus den Irrungen und Wirrungen der Nahostkonflikte heraus hielt, und im Stillen wirtschaftliche und militärische Kontakte aufbaute, als bessere Vermittlungsmacht als die USA. Es gebe keinen schnelleren Weg, Nachrichten an Teheran zu übermitteln, als ein Telefonat mit den Russen, sagen sowohl israelische als auch saudische Regierungsmitarbeiter.

Ägyptens Präsident Sisi zeigt sich gerne mit Putin, weil er sich dadurch Legitimität und Ansehen verspricht. Im Hintergrund geht es aber vor allem um wirtschaftliche Aspekte: Nach einem Anschlag auf ein russisches Passagierflugzeug über der Sinai-Halbinsel im Herbst 2015 hatte Russland allen russischen Fluglinien das Anfliegen ägyptischer Flughäfen verboten; das Ausbleiben der russischen Touristen hatte massive Folgen für die Tourismusindustrie am Roten Meer.

Ab Mitte April dürfen russische Maschinen nun wieder nach Ägypten fliegen; »es gibt absolut nichts, unter absolut überhaupt keinen Umständen, was wir tun würden, um dies zu gefährden«, sagt ein Sprecher des ägyptischen Tourismusministeriums. Dass Russland in Ägypten überdies auch eine Fabrik errichtet, in der 500 Panzer gebaut werden sollen, senkt die Bereitschaft weiter, sich in der Russland-Affäre auf die Seite des Westens zu stellen.