Dabei ging es um die Frage, ob Lula bis zum letztinstanzlichen Urteil auf freiem Fuß bleiben darf oder schon - gegen einen bisher geltenden Verfassungsgrundsatz - davor in Haft muss.
So polarisiert wie das Oberste Gericht ist auch die brasilianische Gesellschaft: Mehr als 30 Prozent wollen Lula kommenden Oktober wieder ins höchste Amt wählen, so er antreten darf, die Hälfte schließt aus, für ihn zu stimmen, und nicht wenige wollen ihn im Gefängnis sehen - und sei es nur als Symbol für die in der politischen Klasse verbreitete Korruption, persönliche Schuld hin oder her.
Das Verfahren gegen Lula ist ein Indiz mehr dafür, dass Brasiliens Gesellschaft gerade die größte Zäsur seit dem Ende der Diktatur (1964 - 1985) erfährt. Dass ein General im Ruhestand unverhohlen damit drohte, dass die Situation »mit Kugeln gelöst werden« müsste, sollte Lula nicht ins Gefängnis kommen, spricht Bände. Brasiliens Demokratie ist bereits eine Demokratur und das muss noch nicht das bittere Ende sein.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1084514.lula-da-silva-brasiliens-demokratur.html