nd-aktuell.de / 11.04.2018 / Kultur / Seite 12

Kichererbsen

Rainer Balcerowiak
Es ist ein ganz klarer Fall: Die Kichererbse gehört nicht zu Deutschland. In unseren kühlen Breitengraden wäre der Anbau ziemlich sinnlos und im Gegensatz zu anderen subtropischen Zutaten spielte sie in hiesigen Küchen und Restaurants auch nie eine Rolle.

Das änderte sich erst durch die Zuwanderung von Millionen Türken, Arabern, Nordafrikanern und Israelis, denen bei allen Unterschieden wohl die Einstellung gemein ist, dass ein Leben ohne Kichererbsen zwar möglich, aber sinnlos ist.

Zwei Zubereitungsarten dieser leicht nussig schmeckenden und sehr nährstoffreichen Hülsenfrucht sind mittlerweile auch hier einigermaßen verbreitet. Als Falafel ist sie zum vegetarischen Konkurrenten für den Döner avanciert, für Hummus wird sie mit Sesammus und Gewürzen zu einer kalten Paste verarbeitet. Ferner gibt es in Asien, Afrika und Südeuropa diverse weitere Gerichte mit Gemüse, Lammfleisch oder auch Bacalhau.

Zu den Hotspots der Berliner Kichererbsen-Szene gehört neben Neukölln und Wedding zweifellos der Stadtteil Moabit. In der Huttenstraße, wo sich einstmals Arbeiter der dortigen Großbetriebe erbitterte Straßenschlachten mit der Polizei lieferten, reiht sich heute ein orientalisches Imbisslokal an das nächste. Das größte und bekannteste ist das »Big Bascha«, das schon zum Frühstück von vielen Freunden der Kichererbse und korrespondierender Genüsse frequentiert wird.

Speisekarten gibt es hier nicht, aber alles wird auf überdimensionalen Bildern an der Fassade und über dem Tresen offeriert. Dort wird auch bestellt und vorab bezahlt. Das Essen kommt dann - je nach Andrang - recht schnell oder eher langsam auf den Tisch in den beiden schlichten Gasträumen oder auf der großen Außenterrasse auf dem Bürgersteig, bei deren Genehmigung das Ordnungsamt Mitte dankenswerterweise beide Augen zugedrückt hat. Bei gutem Wetter ist es dort allerdings mitunter krachend voll, und kleine Grüppchen von Hungrigen warten sehnsuchtsvoll auf einen freien Platz oder lassen sich die Gerichte zum Mitnehmen einpacken.

Bei Frühstücksgästen erfreut sich vor allem das unter anderem mit Minze und Kardamom gewürzte Rührei großer Beliebtheit. Gerne geordert werden ansonsten Foul (Kichererbsen mit Saubohnen und Joghurt), Baba Ganoush (Auberginenpüree mit Sesampaste) und natürlich Hummus in allen Varianten. Besonders lecker mit scharf gebratenem Hackfleisch. Dazu gibt’s immer dünnes Fladenbrot und eine Schale mit frischem Gemüse, natürlich ohne Dressing, denn man tunkt es in die Pasten und Pürees.

Wo die Kichererbse blüht, ist in der Regel auch der Bulgur nicht weit, gegarter Hartweizengries, der als gut gewürzter Salat mit viel Petersilie und kleinen Paprikastückchen zubereitet wird oder als Beilage für - was wohl? - Kichererbsen zum Einsatz kommt.

Diese mediterran-orientalische Küche macht natürlich Lust auf häusliche Nachahmung. In Moabit kein Problem, denn in unmittelbarer Nähe befinden sich zahllose kleine Supermärkte, die alles offerieren, was man dafür braucht.