Fast 40 Gemeinden im Harz feiern am 30. April die Walpurgisnacht. Dabei sind Hexenfeste, Fackelzüge und große Walpurgis-Feuer geplant. Die Veranstalter, meist die örtlichen Tourismusvereine, rechnen wie in den letzten Jahren mit zehntausenden Besuchern.
In der Bergestadt St. Andreasberg ziehen die »wilde Hexenbrut« und der »fliegende Oberteufel« nachmittags zur Walpurgiswiese. Interessierte können ein »Hexen- und Teufelsdiplom« erwerben. »Allerlei Höllenwesen« wollen sich auch auf dem Hexentanzplatz in Thale treffen. In Bad Grund besteht die Möglichkeit »zum Erwerb des Hexenbesenführerscheins«. In Lerbach fliegen die Hexen über das Tal, in Gernrode fahren sie mit der Schmalspur-Eisenbahn.
Das Touristenspektakel Walpurgisnacht geht nach weit verbreiteter Ansicht auf uralte heidnische Bräuche und Aberglauben zurück. Dem Bonner Historiker Thomas Becker zufolge ist der Walpurgisnacht-Mythos erst im 17. Jahrhundert entstanden. In der Nacht zum 1. Mai sollen die Hexen zum Brocken geritten sein, um sich am Feuer mit dem Teufel zu vergnügen. Unterwegs verhexten sie alles, was ihnen in die Quere kam. Um ihr Vieh zu schützen, hefteten die Bauern Kreuze und Kräuterbüschel an die Stalltüren. Auch Peitschenknallen, Läuten von Kirchenglocken und das Entzünden großer Feuer galten als geeignete Abwehrmaßnahmen. Wenn man neun Sorten Holz bei sich trug oder auf einem Schemel kniete und betete, mussten die oft als Reisigsammlerinnen getarnten Hexen ihre wahre Identität preisgeben.
Im Kalender satanistischer Gruppen hat der 30. April als »Satans Geburtstag« bis heute eine große Bedeutung, sagt der evangelische Sektenexperte Ingolf Christiansen aus Göttingen. Die christlichen Kirchen begegnen dem Walpurgis-Klamauk gelassen. Nach Ansicht der Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Osterode, Ilse Lontke, sind die Walpurgisfeiern »keine echten heidnischen Feiern mehr«. Die Veranstaltungen seien vor allem ein »volkstümliches Spektakel für Touristen«. Sie könne mit den Walpurgisfeiern zwar nichts anfangen: »Aber wer meint, dass er sich da amüsieren muss, soll es tun.«
Auf dem Brocken gab es die erste für Touristen organisierte Walpurgisfeier 1896. Ab 1899 konnten die Gäste mit der Brockenbahn hinauffahren. Bereits zwei Jahre später bereitete der damalige Brockenbesitzer, der Fürst von Stolberg-Wernigerode, den Feiern per Dekret ein Ende. Felsformationen auf dem Brocken tragen bis heute die Namen Hexenaltar und Teufelskanzel. Der Harzer Verkehrsverband hat eine kleine Broschüre mit allen Veranstaltungen zur diesjährigen Walpurgisnacht veröffentlicht (Internet:
www.harzinfo.de).