nd-aktuell.de / 18.04.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 17

Strahlendes Erbe

Dänisches Parlament verschiebt Entscheidung über Endlager für Atomabfall in die Zukunft

Andreas Knudsen, Kopenhagen

Dänische Politiker, gleichgültig ob sie Regierungsverantwortung haben oder die Oppositionsbank drücken, schweigen sich nur selten über politische Erfolge aus. Aber der in seltener Einmütigkeit erzielte Kompromiss zur Atommülllagerung wurde von allen Parlamentsparteien von ganz links bis ganz rechts schweigend übergangen. Lediglich eine kleine Pressemitteilung auf der Homepage des zuständigen Fachministeriums vermeldete den Erfolg.

Menschlich verständlich ist dies schon, denn ein Beschluss über die Zwischenlagerung von Atomabfall sichert keine Wählerstimmen. Im Sinne der Information der Öffentlichkeit wäre eine etwas deutlichere Stellungnahme wohl aber doch angeraten gewesen.

Der parlamentarische Beschluss besagt in aller Kürze, dass der Abfall bleibt, wo er ist, und zwar in Risø, etwa 45 Kilometer von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt. Hier wurden von 1955 bis 2000 drei kleine Forschungsreaktoren betrieben, die ursprünglich in die Errichtung dänischer Atomkraftwerke münden sollten. Das notwendige Uran sollte in Grönland gewonnen werden. So war zumindest der Gedanke in den technikfixierten Jahrzehnten.

Doch die Euphorie verflog, die öffentlichen Proteste wurden lauter, schon 1985 beschloss das dänische Parlament den Ausstieg aus der Atomkraft. Spätestens seit der Katastrophe von Tschernobyl 1986 bekamen die Anhänger von Wind- und Sonnenstrom immer mehr Unterstützung. Inzwischen sind die Anlagen abgebaut und in einem als Provisorium gedachten vorläufigen Lagergebäude untergebracht. Dazu kommen 16 Tonnen schweres Wasser, 4700 Tonnen grönländisches Uranerz, das bereits nach Dänemark verschifft worden war, sowie die laufenden Lieferungen schwach radioaktiven Materials vor allem aus dänischen Krankenhäusern.

Die Lagerkapazitäten werden 2022 voll ausgenutzt sein - ein Jahr, bevor ein Zwischenlager fertiggestellt sein soll. Zum fehlenden Lagerraum kommt hinzu, dass das genutzte Gebäude nicht allen Anforderungen an Sturm- und Hochwassersicherung genügt, da es nicht für die langjährige Aufbewahrung konstruiert worden war. Die Stürme und Sturmfluten, die in den vergangenen Jahren in der Umgebung von Risø registriert wurden und möglicherweise nur Vorboten schwererer Klimaveränderungen sind, haben die Dringlichkeit besserer Sicherung gezeigt. Die Anlage liegt in der Nähe des Roskilde-Fjords, der bei längeren Stürmen aus Richtung Norden kräftig ansteigen kann. Was passieren könnte, falls die Container mit Brachwasser in Berührung kommen, können Experten nicht voraussagen.

Den Politikern kann man nicht einmal nachsagen, die Stunde der Tat verschlafen zu haben: Schon vor 15 Jahren wurde beschlossen, einen geeigneten Platz für ein Endlager zu finden und es zu bauen. 2015 waren die Vorarbeiten abgeschlossen, fünf mögliche Lagerplätze in Dänemark ausgewählt und den Politikern zum Beschluss vorgelegt. Parallel dazu begann das Ministerium, die Exportmöglichkeiten von Atomabfall zu untersuchen. Insgesamt 32 Länder wurden kontaktiert, um wenigstens den nur schwach strahlenden Abfall zu übernehmen. Aber alle winkten ab und genauso reagierten auch die Lokalpolitiker der in Frage kommenden dänischen Endlagerplätze. In einer koordinierten Kampagne wiesen sie alle Vorschläge und Kompromisse ab und setzen ihre nachvollziehbaren lokalen Wünsche durch. Den Parlamentariern kann man hingegen vorwerfen, dass sie sich nicht dazu durchrangen, nationale Interessen durchzusetzen und einen Baubeschluss für ein Zwischenlager mit höchstem Standard durchzusetzen.

Stattdessen wurde nun beschlossen, am gegenwärtigen Standort ein neues Zwischenlager zu bauen, das in fünf Jahren fertig sein soll. Die notwendigen Umwelt- und Baugenehmigungen liegen aber noch nicht vor. Wenn es wie geplant 2023 fertiggestellt ist, soll es dänischen Atomabfall bis zum Jahr 2073 aufbewahren. Der Enkelgeneration wurde per Parlamentsbeschluss auferlegt, bis zu diesem Zeitpunkt einen 500 Meter tiefen Schacht gegraben zu haben, in dem die Endlagerung vorgenommen werden soll.