nd-aktuell.de / 18.04.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 17

Der Kühlschrank wird schneller

Die mobile Datenkommunikation steht mit 5G wieder einmal vor einer »Revolution«

Hermannus Pfeiffer

Marktschreier der modernen Zeiten versprechen uns mal wieder die schöne, heile Welt: Im »Smart Home« bestellt der Kühlschrank automatisch beim mobilen Lebensmittelhändler nach, wenn die Erdbeermarmelade zur Neige geht; in der Werkhalle sorgt »Predictive Maintenance« für den Einbau von Ersatzteilen, bevor Maschinen ausfallen; und den medizinischen Gesundheitscheck wickelt die vernetzte Datenbrille via Internet ab, während wir mit dem Rollkoffer vom Flieger in ein selbstfahrendes Auto umsteigen. Für all das und noch viel mehr benötigen Unternehmen Sensoren und viele Daten. An solchen mangelt es zwar schon heute nicht. Doch damit »Big Data« so richtig ins Rollen kommt, braucht es 5G.

Schon Ende 2020 soll der den neue Mobilfunkstandard in Deutschland eingeführt werden. Im Unterschied zu den bisher eher evolutionären Entwicklungsstufen im Mobilfunk sei 5G »eine Revolution«, schreiben die Analysten von Roland Berger in einer neuen Studie. Zum ersten Mal stehe nicht mehr das (private) Mobiltelefon oder Smartphone als Endgerät im Fokus. Der neue Standard sei für das kommerzielle Internet der Dinge optimiert, für Milliarden von Endgeräten, die in Zukunft mit uns und auch untereinander kommunizieren werden.

»Revolutionär« ist nicht die Geschwindigkeit der fünften Generation - kurz 5G - seit Einführung des Mobilfunks in den 1980er Jahren. Sie wird nach Angaben des Hamburger IT-Experten Cord Buch etwa vier- bis zehnmal so schnell wie ein gängiger Festnetzanschluss laufen. Völlig neu ist jedoch die Fähigkeit, Daten nahezu in Echtzeit zu übertragen.

So wird das Internet der Dinge selbst für heikle Anwendungen wie das autonome Fahren oder die Telemedizin möglich. Gleichzeitig ist 5G für maschinelle Massendaten ausgelegt, für Tausende von Geräten innerhalb einer Funkzelle, die Daten austauschen. Industrielle Geschäftsmodelle wie das »Predictive Maintenance« brauchen daher dringend 5G.

Der Zeitplan erscheint durchaus ehrgeizig. Denn es laufen erst Feldversuche mit dem Turbo-Datennetz in Turin und Hamburg an. Im Februar wurden auf dem Hamburger Fernsehturm zwei Antennen installiert. Über sie sollen etwa Ampeln und Verkehrsleittechnik im Hafen gesteuert werden. Außerdem ermitteln Barkassen mittels Sensoren Daten zu Luftqualität oder Windstärke in Echtzeit.

»5G bietet eine Sicherheit und Zuverlässigkeit, die es in mobilen Netzwerken vorher nicht gab«, sagt Jens Meier, Chef der Hamburger Hafenverwaltung HPA, die neben der Deutschen Telekom und den Technologieunternehmen Nokia, Huawei und Samsung zu den federführenden Partnern der Feldversuche zählt. Dagegen fürchtet die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit in einem Ende März erschienenen Papier, dass die neue Technik bekannte Sicherheitsprobleme bestehender Netze fortschreiben wird.

Der neue Standard wird für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland »ex- trem wichtig«, ist Roland Berger überzeugt. Daher müsse 5G schnell eingeführt werden. Zunächst sollen die durchaus knappen Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang an Interessenten versteigert werden. Die Durchführung der Auktion, heißt es bei der zuständigen Bundesnetzagentur, soll »noch im Jahr 2018 erfolgen«.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) dürfte auf einen zweistelligen Milliardenbetrag hoffen. Staat und Telekomfirmen müssen aber noch die technischen Voraussetzungen schaffen und die Zugangsnetze ausbauen. Die Mobilfunkstationen werden per Glasfasernetz verbunden, um den hohen Datendurchsatz zu ermöglichen.

Der Großteil der privaten Kunden wird das Gigabit-Potential der neuen Technik bei weitem nicht ausschöpfen. Ohnehin bedeuten mehr Daten nicht automatisch mehr Wissen. Ob und welche Verheißungen daher wahr werden, weiß niemand.

Sicher scheint dagegen, dass die Zahl der Teilnehmer stark zulegen wird, durch die Vernetzung der verbundenen Objekte um circa den Faktor 1000, schätzt das Beratungsunternehmen Sopra Steria. Das gefährde die Netzneutralität, die jedem Teilnehmer die gleiche Geschwindigkeit im Netz zusichert: »Der Druck auf die Telekommunikationsbranche, stärker nach Geschwindigkeit und Datendurchsatz zu segmentieren, wird sukzessive steigen.« In den USA ist die Regulierungsbehörde dem Druck der großen Anbieter bereits gewichen und hat im Dezember die Abschaffung der Netzneutralität beschlossen.