nd-aktuell.de / 18.04.2018 / Politik / Seite 8

Lateinisch statt kyrillisch?

Der ukrainische Außenminister sorgt mit einer alten Idee für öffentliche Aufregung

Denis Trubetskoy, Kiew

Es ist ein Vorschlag, der vom ukrainischen Außenminister eigentlich nicht zu erwarten wäre - und doch war es eben der ehemalige Botschafter in Berlin Pawlo Klimkin, der mit einem Facebook-Beitrag Ende März eine öffentliche Debatte über die mögliche Umstellung der ukrainischen Sprache vom kyrillischen auf das lateinische Alphabet provozierte. Der aus dem russischen Kursk stammende Klimkin machte auf einen polnischen Historikers aufmerksam, der meinte, dies sei keine schlechte Idee, die die Souveränität der Ukraine stärken könnte. »Natürlich sollten wir vor allem Themen ansprechen, die Ukrainer vereinen und nicht teilen«, schrieb Klimkin. »Darüber sollte man allerdings zumindest diskutieren.«

Die Idee der Umstellung des Ukrainischen auf lateinische Buchstaben ist keine Erfindung Klimkins, sondern mindestens genauso alt wie der unabhängige ukrainische Staat selbst. Bereits seit dem Zerfall der Sowjetunion propagierte ein Teil der ukrainischen Nationalisten den Weggang von der kyrillischen Schrift, meistens mit zwei Argumenten: Zum einen sollte man sich damit kulturell von Russland entfernen, zum anderen sei das lateinische Alphabet deutlich verbreiteter und würde Ukrainisch international attraktiver und beliebter machen. Allerdings stößt die Idee auch auf Unverständnis, nur der radikale Nationalistenflügel unterstützte traditionell solche Maßnahmen. Durch den 2014 entstandenen politischen Konflikt zwischen Kiew und Moskau, der mit der russischen Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass begann, stieg die Zahl der Befürworter leicht, blieb jedoch unbedeutend.

Nun kommt der neue Anstoß der Debatte jedoch vom Außenminister - und obwohl es unwahrscheinlich ist, dass Ukrainisch bald auf Lateinisch umgestellt wird, hat die Diskussion damit eine andere Bedeutung. Offensichtlich ist dabei, woher die Inspiration für diese Ideenneuauflage kommt, obwohl es von Klimkin mit keinem Wort erwähnt wird: 2017 beschloss der autoritär regierende kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew eine ähnliche Umstellung, die bis 2025 vollzogen werden soll. Zu den Kritikern des Vorstoßes in Kiew gehören zum Teil Leute, von denen eigentlich Zuspruch erwartet wurde. Dazu gehört der umstrittene Historiker Wolodymyr Wjatrowytsch, der das Institut für Nationale Erinnerung leitet und damit für die aktuelle Geschichtsagenda verantwortlich ist.

Er war der wichtigste Ideologe der sogenannten Entkommunisierung, im Zuge derer kommunistische Denkmäler entfernt sowie Straßen und Plätze umbenannt wurden. »Die kyrillische Schrift spielt eine fundamentale Rolle in unserer Kultur. Wir dürfen sie keinesfalls wegwerfen«, meint er nun. »Ein solcher Verzicht würde unsere Einzigartigkeit zerstören; für mich ist das keine Option.«