nd-aktuell.de / 21.04.2018 / Wissen / Seite 24

Ursprünge der Stenografie

Bildungsrauschen

Dass Wort Stenografie setzt sich aus dem Altgriechischen stenós (eng) und gráphein (schreiben, ritzen) zusammen. In der Geschichte waren verschiedene Bezeichnungen gebräuchlich. So heißt die Schrift auch Engschrift, Kurzschrift, Schnellschrift (Tachygraphie), Phonographie oder Redezeichenkunst.

Die Stenografie begann als Erfindung des freigelassenen Sklaven und Sekretärs Ciceros, Marcus Tullius Tiro (103 - 4 v. Chr.), der eine altrömische Kurzschrift entwarf, um Ciceros Reden folgen zu können. Der antike griechische Schriftsteller Plutarch (45 v. Ch. - 125 n. Chr.) soll die erste Anwendung auf den 5. Dezember 63 v. Chr. datiert haben, als Niederschrift der Anklage gegen Catilina. Zuvor hatte Tiro die jungen Senatoren in Kurzschrift unterrichtet, die dann erstmals nach dem Verfahren der sogenannten Schreibrunde die Schrift verfassten. Bei der Schreibrunde sitzen je sieben Stenografen in einer ersten und zweiten Reihe. Ein sogenannter Dirigent weist den ersten Stenografen an, der dann so viel als möglich notiert, bis der Zeigestab des Dirigenten den nächsten anweist. Jedes fertig geschriebene Blatt wird einem der hinten Sitzenden überreicht, der wiederum so schnell wie möglich das Stenogramm rückübersetzt.

Diese als Tironische Noten titulierte Schrift umfasste zunächst 4000 Zeichen, verbreitete sich während des Römischen Reichs nach Griechenland, Ägypten und in den mitteleuropäischen Raum. Bald gehörte das Beherrschen der Noten zur Schreibausbildung. Im 5. Jahrhundert wurde mit dem Commentarii Notarum Tironianarum eine umfangreiche Sammlung tironischer Noten angelegt. Von diesen sind um die 10 000 bekannt. Die Vervollständigung und Verbreitung der Noten führte im Mittelalter auch zu weiteren Anwendungen, wie das Korrigieren, Exzerpieren und Kommentieren von Handschriften. Insgesamt galten die Noten als zu schwierig. Einige Zeichen mutierten zu allgemeinen Abkürzungen, andere fanden in Westeuropa bis ins 17. Jahrhundert Verwendung. In Frankreich stenografierten bis zum 10. Jahrhundert Urkundenschreiber fränkischer Herrscher, danach nur noch vereinzelt.

Als »Geburtsland der neuen Stenografie« gilt England. Auslöser war die durch die Reformation notwendige Verbreitung von Predigten, die möglichst wortgetreu aufgezeichnet und aufbewahrt werden mussten. Das erste neuzeitliche Kurzschriftsystem, genannt Characterie, wird Timothy Bright zugeschrieben und auf 1588/89 datiert. Es wurde auch zur Mitschrift von Shakespeare Stücken genutzt. 1602 entwarf John Willis ein vollständiges stenografisches Alphabet, dem einfache geometrische Grundelemente zugrunde liegen. Später benutzte man dieses Alphabet auch in Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland. 1678 erschien das erste deutschsprachige Stenografielehrbuch mit dem Titel »Tacheographia«, geschrieben von dem Wandergelehrten, Übersetzer und Stenografen Charles Aloysius Ramsay. Lena Tietgen

Weitere Infos: stenografenbund.de und forschungsstaette.de