nd-aktuell.de / 21.04.2018 / Berlin / Seite 13

Mehr Kita-Plätze, weniger Müll

Grüne fordern mehr Geld für Erzieher, um dem Fachkräftemangel zu begegnen

Tim Zülch

»Die Konferenz ist huckepacke vollgepackt«, sagt Werner Graf. Der 38-Jährige ist seit eineinhalb Jahren Landesvorsitzender der Grünen. Zwei Leitanträge und rund ein Dutzend weitere Anträge liegen vor und müssen von den Delegierten besprochen und abgestimmt werden.

»Wir wollen einen großen Aufschlag machen«, was die Situation der Kita-Plätze in Berlin betrifft, kündigt Nina Stahr, die andere Landesvorsitzende im Vorblick auf den Parteitag an, der an diesem Sonnabend in Adlershof stattfinden soll. Viele Kitas suchen mittlerweile händeringend Fachkräfte, auf der anderen Seite sorgt der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz für reichlich Nachfrage bei den Eltern.

Einige Eltern nutzen mittlerweile das Recht, vor Gericht zu klagen. Häufig bekommen sie recht, wie jüngst vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg im Falle zweier Familien. »Es wird immer schlimmer«, sagt Stahr. »Durch die Urteile hat das Ganze noch an Fahrt zugenommen.« Sie fordert daher eine »bessere Bezahlung als Grundforderung«.

Doch der Handlungsspielraum der Politik ist in diesem Bereich begrenzt, da Berliner Kitaerzieher nach dem bundesweit gültigen Tarifvertrag der Länder (TV-L) bezahlt werden. Daher solle sich »Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD) bei seinen Länderkollegen für eine Anhebung stark machen, sonst müssen wir eigene Maßnahmen ergreifen«, so Stahr. Welche Maßnahmen das konkret sein könnten, lässt sie offen, könnte sich aber eine Zusatzzahlung des Landesvorstellen, wie es die LINKE kürzlich vorgeschlagen hat.

Auch denke sie über eine höhere Eingruppierung von Erziehern nach. Eine Änderung, die für eine Vollzeitstelle knapp hundert Euro mehr im Monat ausmachen würde. Um dem Problem des Erziehermangels Herr zu werden, müsse man außerdem »nichtgenutzte Potenziale heben«, wie beispielsweise mehr Männer für den Erzieherberuf zu motivieren und Hürden bei Zugewanderten abzubauen.

Im Bezug auf männliche Erzieher plädiert der Leitantrag »Berliner Kita« für eine »Image-Kampagne« für Männer in Kitas und im Bezug auf Zugewanderte für die Möglichkeit, die deutsche Sprache auch ausbildungsbegleitend zu erwerben. Eine Absenkung des Personalschlüssels für Kitas jedoch, wie vereinzelt gefordert, lehnen die Grünen ab. Im Gegenteil soll die Kind-Fachkraft-Relation langfristig erhöht werden. Im Gegenzug solle die Anrechenbarkeit des Personalschlüssels bei Azubis und Quereinsteigern eingeschränkt werden. »Ich möchte nicht, dass Quereinsteiger voll angerechnet werden«, macht Stahr deutlich.

Zweites großes Thema der Landesdelegiertenkonferenz: Berlin soll, nach Vorstellung des grünen Führungsduos, außerdem schrittweise zur müllfreien Stadt werden. Im Leitantrag »Wir entsorgen die dreckige Stadt«, wollen die Grünen den Müllaspekt mehr in den gesellschaftlichen Mittelpunkt rücken. 30 000 Plastiktüten und 20 000 Einweg-Becher würden in Berlin pro Stunde verbraucht, erklärten die Landesvorsitzenden. Um das zu ändern, sollen sich die Delegierten für eine dreifache Strategie aussprechen: Vermeiden, Reparieren, Verwerten.

Ziel sei es, sagt Werner Graf, »den Restmüll in der grauen Tonne deutlich zu verringern«. Dazu müsse flächendeckend die Biotonne eingeführt werden. Dafür wolle man auch an die BSR herantreten. »Bisher geht die BSR davon aus, dass die Biotonne freiwillig ist. Das ist sie aber nicht«, erklärt Graf und geht bei Umsetzung von einer raschen »Verdoppelung« des Inhalts der Biotonnen aus. Auch beim Thema Sperrmüll wollen die Grünen eine Änderung erreichen: Sie fordern ein wesentlich kundenfreundlicheres und günstigeres System. Doch scheint die Partei in Gesprächen mit der BSR nicht immer auf offene Ohren zu stoßen. »Den Ansatz Zero-Waste muss man einem Entsorgungsbetrieb, der sein Geld mit Müll verdient, erst mal beibringen. Das ist ein Paradigmenwechsel«, so Graf. Ein Umbau, der nicht von heute auf morgen passiere.

Außerdem soll es, so der Leitantrag, eine Fülle von Einzelmaßnahmen geben. Dazu zählen: eine Mehrweg-Becher-Kampagne, mehr Trinkwasserbrunnen, »Repair-Cafés«, Tausch-Läden. Außerdem solle auf allen Ebenen mittels Kampagnen Müllvermeidungsstrategien aufgezeigt werden. Dazu solle es beispielsweise ein »Zero Waste Haus« geben und Gewerbe soll diesbezüglich gezielt angesprochen werden.