nd-aktuell.de / 24.04.2018 / Politik / Seite 8

Schafft ein, zwei, drei, viele Promotor*innenstellen

Die entwicklungspolitischen Sprecher*innen von Rot-Rot-Grün bis FDP sind nicht nur bei Inlandsbildungsarbeit fast einer Meinung

Martin Ling

Unter ferner liefen oder wirklich ernst gemeint? »Ferner erhöhen wir die Mittel für die entwicklungspolitische Bildung im Inland«, heißt es im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aus CDU und SPD. Teil der Regierung ist Gabi Weber zwar nicht, aber als SPD-Bundestagsabgeordnete und entwicklungspolitische Sprecherin ihrer Fraktion sieht sie den Koalitionsvertrag als Verpflichtung. Und für entwicklungspolitische Bildung ist sie zu haben, das machte sie bei einer Veranstaltung im Rahmen der monatlichen Netzwerktreffen des Berliner Entwicklungspolitischen Ratschlags (BER) am 18. April in Berlin klar. »Das Promotorenmodell ist gut, noch besser wäre Promotoren verpflichtend Zugang in die Schule zu verschaffen«, brach sie eine Lanze für das Eine Welt-Promotor*innen-Programm, das seit 2013 bundesweit läuft. Mehr als 140 Promotor*innen setzen sich derzeit bundesweit für eine sozial gerechte und global nachhaltige Entwicklung ein, vor allem indem sie bildungspolitische Aufklärungsarbeit betreiben. Die Angebote richten sich an Interessierte und eben das findet Weber nicht ausreichend, weswegen sie es wünschenswert fände, dass den Promotor*innen in den Schulen die Türen für entwicklungspolitische Bildungsarbeit geöffnet werden sollte, um Wissen zu vermitteln. Zum Beispiel über die nachhaltigen Entwicklungsziele SDG, die die internationale Gemeinschaft sich bis 2030 zum Ziel gesetzt hat.

Auf 15 Millionen Euro pro Jahr bezifferte Simon Ramirez-Voltaire die Summe, die es benötigte, um zu sichern, dass in jedem Landkreis in Deutschland eine Promotor*innenstelle geschaffen werden könne. Er leitet die Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland, den Dachverband der kleinen entwicklungspolitischen Initiativen und saß mit auf dem Podium bei der Veranstaltung »Die entwicklungspolitische Zivilgesellschaft diskutiert mit den entwicklungspolitischen Sprecher*innen der Parteien des Bundestags« im Berlin Global Village in Neukölln auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei.

Eingeladen waren alle Bundestagsparteien bis auf die AfD und es kamen alle bis auf die CDU, deren entwicklungspolitischer Sprecher aus Termingründen passte. Auf eine konkrete Zahl zur Förderung entwicklungspolitischer Bildungsarbeit wollte sich die Sozialdemokratin Weber nicht festlegen während Evrim Sommer von der Linkspartei 50 Millionen Euro pro Jahr forderte und sich Ottmar von Holtz (Bündnis 90/Die Grünen) dieser Forderung anschloss. Das Eine Welt-Promotor*innen-Programm ist freilich nur ein Teil der entwicklungspolitschen Bildungsarbeit. Selbst wenn die Bundesregierung der Forderung von Baba und von Holtz nachkommen würden, gäbe es noch viel Luft nach oben gemessen an der Empfehlung des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP). Danach sollen drei Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (ODA) für entwicklungsbezogene Bildungs-, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden und das wären bei 16 Milliarden Euro ODA sage und schreibe 500 Millionen Euro.

Nicht nur in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, sondern in der Entwicklungspolitik generell gibt es viel Nachholbedarf. Darin waren sich alle vier Bundestagsabgeordnete einig, auch Olaf in der Beek (FDP) tanzte nicht aus der Reihe, findet Promotoren gut, »aber Freiwilligkeit besser als Zwang« und warb dafür, bei Schulen nicht nur an Gymnasien, sondern auch an Real- und Hauptschulen zu denken, was die Bildungsarbeit angehe und die FDP unterstütze auch die Globale Bildungspartnerschaft der UNO, die Kindern in Entwicklungsländern den Zugang zu Bildung sichern soll. Auch ansonsten war der Liberale wie alle anderen für die Umsetzung des Klimaabkommens von Paris, für ein Rüstungsexportkontrollgesetz und für eine Aufarbeitung der deutschen Kolonialvergangenheit einschließlich der Kolonialverbrechen wie zum Beispiel im ehemaligen Deutsch-Südwest, dem heutigen Namibia, in dem von Holtz aufgewachsen ist. Denn neben entwicklungspolitischer Bildung waren Klimagerechtigkeit, Rassismus/Kolonialismus und Rüstung die weiteren Themenkomplexe, zu denen die vier Abgeordneten Statements abzugeben und Fragen zu beantworten hatten. Die hohe parteiübergreifende Übereinstimmung im Grundsatz was die Ziele, weniger was die zu beschreitenden Wege angeht, war bemerkenswert. Auch Evrim Sommers Dreiklang fairer Welthandel, Klimawandel bekämpfen, friedliche Außenpolitik fand keinen direkten Widerspruch. Der entwicklungspolitische Teufel steckt im Detail.