nd-aktuell.de / 30.04.2018 / Kultur / Seite 14

Lichtenberg kann Vorbild sein

Beim vierten »Kulturdialog vor Ort« präsentierte Bürgermeister Michael Grunst die Errungenschaften seines Bezirks

Lee Wiegand

Vergangene Woche in Hohenschönhausen: Auf dem Prerower Platz nimmt kaum jemand Notiz von den hohen Gästen, die sich hier im Randgebiet versammelt haben. An der lokalen Currywurstbude, die durch ihre erdrückende Ehrlichkeit den Schickimickibuden in Mitte das Wasser reichen kann, diskutieren Besitzer und Gäste über die besten Orte für Flohmärkte, während sich vor der Anna-Seghers-Bibliothek, der größten öffentlichen Bücherei des Bezirks, die High Society der Kulturverwaltung einfindet. Die normalen Besucherinnen werden von der Leiterin Sigrid Tschepe höflich, aber eindeutig auf die spätere Öffnungszeit von 13 Uhr verwiesen.

Bezirksbürgermeister Michael Grunst (Linkspartei) und sein Team sind die ersten. Er wirkt ein wenig angespannt, obwohl der zu empfangende Gast ein alter Bekannter und Genosse ist. Doch ehe man sich versieht, ist die Anspannung verflogen, als Kultursenator Klaus Lederer wiederum mit seinem Team die Bühne betritt. Alle haben sich herausgeputzt, ganz im Gegensatz zu den wenigen Journalisten, die sich zur Aufgabe gemacht haben, den vierten »Kulturdialog vor Ort« zu begleiten. Der Kultursenator will die Bezirke ganz genau kennenlernen, deshalb war er zuvor schon in Spandau, Kreuzberg-Friedrichshain und Charlottenburg-Wilmersdorf. Klaus Lederer ist einer, der sich für die Kultur der Stadt interessiert. Das kommt gut an.

Der Bezirk Lichtenberg sei vorbildlich in der Ausschöpfung der Kulturmittel, erklärt Lederer. Grunst lächelt. Er ist stolz auf das Geleistete seit seinem Amtsantritt, für den Genossen und Chef der höheren Instanz hat er eine Tour zusammenstellen lassen, um das zu beweisen.

Den Anfang macht die Anna-Seghers-Bibliothek, die Lederer aus seiner Jugend, noch am alten Standort, bekannt war. Die beiden Leiterinnen bilanzieren nach der Pressetour durch das Gebäude ehrlich, wie sich das Gesicht der Bibliothek im Laufe der letzten Jahre verändert hat. Immer mehr Menschen nutzen das Angebot, das stellt sie zufrieden, denn man könne mit Bibliotheken in gehobeneren Bezirken mithalten und Klischees entgegenwirken. Jedoch leihen immer weniger Menschen Bücher aus, man wandle sich von einer reinen Leihbibliothek zu einem multimedialen Kulturort. Das beweist ein Kinderlachen; im zweiten Stock sitzt eine Schulklasse in einem Zirkuszelt und richtet ihre Blicke auf einen Bildschirm. Auch sei die Seghers-Bibliothek die erste gewesen, die Smartphones in ihr Konzept eingebunden hat, berichtet die Leiterin weiter. Dann werden Zahlen ausgetauscht, von beiden Seiten Fragen gestellt und beantwortet und Ratschläge und Bitten ausgetauscht, bevor es zum nächsten Termin geht, gleich gegenüber.

Lichtenberg ist divers, das beweist auch das »360 Grad Kulturhaus«, in dem Alteingesessene und neue Bewohner des Bezirks gemeinsam Kunst betreiben können. Auch hier setzt man sich nach einer Führung durch die Ateliers zusammen, spricht über Herausforderungen für integrative und interkulturelle Kulturarbeit im Kiez. Fragen, Antworten, Ratschläge, Bitten. Das Prinzip zieht sich durch den Tag, während die Karawane durch den Bezirk gefahren wird. Auf der Marschroute standen außerdem noch unter anderem das Atelierhaus HB 55, das Museum Lichtenberg und die vieldiskutierten Blo-Ateliers und das Kulturhaus Karlshorst.

In Lichtenberg passiert viel, auch wenn man es als Außenstehender kaum wahrnimmt. Man arbeitet daraufhin, dass sich das in Zukunft ändern soll und der Bezirk kulturell bekannter wird. Da sind sich Bezirks- und Kulturbürgermeister einig. Doch um Fördermittel bemühen sich noch elf weitere Bezirke, und sieben weitere wurden noch nicht mit Lederers »Kulturdialog« beehrt.