Flüchtig wie Rauchzeichen

Stephan Fischer über die Kommunikation im Redaktionsalltag des »nd«

  • Stephan Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die schöne neue Arbeitswelt zeichnet sich vor allem durch unzählige Formen der Kommunikation miteinander, untereinander und manchmal nebeneinander her aus. Dabei ist erstaunlich, dass es nicht viel öfter zum großen Durcheinander kommt. In der nd-Redaktion sorgt ein scheinbar ausgeklügeltes System dafür, dass jede und jeder auf dem Laufenden bleibt: Ressortsitzungen und Redaktionssitzungen bilden die Grundlage, dazu an jedem Platz ein Telefon und ein Computer samt zugehörigen E-Mail-Postfach. Dort wird dann auch noch fleißig gechattet und getwittert und geskypt; wem das immer noch nicht reicht, bleiben die Kantinengänge mit den Kollegen oder die eine oder andere Sitzung nach Feierabend - natürlich mit quotierter Redner/innenliste.

Nun kann ja nicht jeder und jede ständig auf allen Kanälen präsent sein, die Zeitungsseiten blieben leer. So müssen die elementaren Informationen zu allen Betreffenden durchdringen - und irgendwie klappt das auch immer. Ein noch größeres Faszinosum stellt dieser Befund dar, bedenkt man, dass auf zwei Wege direkter Kommunikation seit Langem verzichtet wird: Die Rohrpost im nd-Gebäude ist nur noch flüchtige Erinnerung, ein Telegrammbote wurde in der Nähe des Ostbahnhofes schon lange nicht mehr gesichtet. Aber nicht nur der Beruf, auch das zu befördernde Schriftstück verschwindet langsam. In Frankreich wurde in dieser Woche das letzte seiner Art verschickt. »Ein Kapitel der Telekom-Geschichte ist beendet - STOP«, so lautete sein Inhalt. Nüchtern, sachlich, Telegrammstil halt.

Aber um Technologien und Techniken wird im Zweifel wenig getrauert, sie verschwinden auch weniger mit einem lauten Knall, sondern treten langsam hinter den Vorhang der Geschichte zurück. Und neue treten hervor. Mit denen tut man sich immer schwerer, desto mehr man von den alten schon erlebt hat. Der britische Autor Douglas Adams hat dazu folgende Gesetzmäßigkeit postuliert: »1. Alles, was schon auf der Welt ist, wenn Du geboren bist, ist natürlich und hält die Welt am Laufen. 2. Alles, was zwischen Deinem 16. und 36. Lebensjahr erfunden wird, ist neu, aufregend und revolutionär. Und hey, vielleicht kannst Du in dem Bereich sogar Karriere machen! 3. Alles, was nach Deinem 36. Lebensjahr erfunden wird, ist gegen die natürliche Ordnung der Dinge.«

Seit einigen Tagen ist das »nd« schon in seinem 73. Lebensjahr, also mehr als doppelt so alt. Glückwunschtelegramme gab es keine, aber die sind in diesem Alter vielleicht auch nicht mehr so wichtig. Wichtiger ist doch, da wo es nötig ist, mit der Zeit zu gehen. Aber immer dann, wenn von Menschen und »natürlicher Ordnung der Dinge« gesprochen wird, innezuhalten und sich zu erinnern: Nichts ist ewig wie in Stein gemeißelt - viel mehr flüchtig wie Rauchzeichen.

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