nd-aktuell.de / 09.05.2018 / Ratgeber / Seite 26

Wenn das Original-Testament verschwunden ist ...

Testament

OnlineUrteile.de

Als die Witwe P. im April 2015 gestorben war, meldeten zwei Parteien Anspruch auf das Vermögen an. Ein gemeinnütziger Verein legte beim Nachlassgericht ein gemeinschaftliches Testament vor, das vom Ehepaar P. im Februar 1995 verfasst worden war. Die Ehegatten hatten sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und festgelegt, dass nach dem Tod des überlebenden Partners der gemeinnützige Verein Alleinerbe werden sollte.

Der Enkel von Frau P. stützte seinen Anspruch auf die Kopie eines Testaments vom April 2011: Darin bestimmte ihn die Großmutter zum Alleinerben und widerrief die Erbeinsetzung des gemeinnützigen Vereins. 2011 hatte ihr Ehemann noch gelebt und das Testament mit unterschrieben. Daher stehe ihm das Vermögen zu, meinte der Enkel. Der Haken an der Sache war allerdings, dass das Original des Testaments verschwunden war.

Das Amtsgericht Bonn wies den Antrag des Enkels auf einen Erbschein als Alleinerbe zurück. Wenn ein Testament unauffindbar sei, müsse man davon ausgehen, dass es die Erblasserin vernichtet habe, weil es nicht mehr gelten sollte.

Dem widersprach das Oberlandesgericht (OLG) Köln mit Beschluss vom 2. Dezember 2016 (Az. 2 Wx 550/16). Die Annahme des Amtsgerichts, ein verschwundenes Testament sei als widerrufen anzusehen, treffe nicht zu. Ein unauffindbares Testament sei nicht automatisch ungültig, betonte das OLG.

Die Erblasserin könne es unbeabsichtigt verlegt oder entsorgt haben. Es komme häufig vor, dass Testamente oder Kopien nach dem Tod einer Person trotz sorgfältiger Suche zunächst nicht zum Vorschein kämen.

Später würden sie dann zufällig an Orten gefunden, an denen niemand mit einem Testament oder einer Kopie davon rechne. Daher genüge hier die Kopie des Testaments, um dem Enkel den beantragten Erbschein zu erteilen.

Vorausgesetzt, das Testament sei wirklich im Original von der Erblasserin und ihrem Ehemann unterschrieben, also »formwirksam« errichtet worden. Dieser Punkt sei vom Amtsgericht zu prüfen und mit Hilfe eines Schriftgutachters zu klären. OnlineUrteile.de