nd-aktuell.de / 09.05.2018 / Politik / Seite 4

Diessleblower

Personalie

Simon Poelchau

Volkswagen müsse »noch ehrlicher, offener, wahrhaftiger, in einem Wort: anständiger werden«, erklärte der neue Chef des Wolfsburger Autobauers, Herbert Diess, Anfang Mai bei seiner Antrittsrede auf der Hauptversammlung den Aktionären. Dabei solle auch das interne Hinweisgebersystem ausgebaut werden, mit dem Mitarbeiter auf Missstände aufmerksam machen können, ohne Folgen für ihre Karriere befürchten zu müssen. Fehlverhalten müsse kompromisslos geahndet werden, so Diess.

Dabei sieht sich der studierte Maschinenbauer offenbar selbst in der Pflicht, Behörden als Whistleblower zu dienen. Laut der »Bild«-Zeitung soll Diess in die USA geflogen sein, um vor dem FBI gegen seinen Vor-Vorgänger Martin Winterkorn auszusagen. Gegen diesen hat die US-Justiz unter anderem wegen Verschwörung zum Betrug an den Vereinigten Staaten im Rahmen der Diesel-Abgasaffäre Anklage erhoben. Diess hingegen sollen die US-Behörden freies Geleit zugesichert haben.

Der 59-jährige kam erst wenige Monate vor dem Auffliegen des Skandals um manipulierte Abgaswerte im September 2015 zu Volkswagen. Nach einer kurzen akademischen Karriere heuerte der gebürtige Münchner 1989 zunächst beim Automobilzulieferer Robert Bosch in Stuttgart an. 1996 kehrte Diess dann wieder in seine Heimatstadt zurück und fing bei BMW an, wo er ab 2007 im Vorstand saß. Bei Volkswagen war er zunächst für die Kernmarke VW zuständig, bis er am 13. April diesen Jahres mit sofortiger Wirkung zum Konzernchef ernannt wurde.

Diess gilt als kompromissloser Sanierer, der sich schnell mit dem Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh streitet. Dabei sind ihm Angestelltenmitbestimmung und Interessenvertreter so sehr ein Dorn im Auge, dass sein Drang nach mehr Transparenz auch Schattenseiten hat. So soll er als VW-Markenchef im Zusammenhang mit der Beförderung von sechs Beschäftigten ins obere Management nach deren Mitgliedschaft in der IG Metall gefragt haben. Laut Arbeitsrechtlern ist dies ebenso wie die Frage nach Schwangerschaften bei Frauen ein absolutes No-Go für Vorgesetzte.