nd-aktuell.de / 17.05.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Gewässer in schlechtem Zustand

Umweltverband BUND fordert konsequente Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie

Haidy Damm

Insgesamt 92 Prozent aller Flüsse und Seen in Deutschland sind nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in einem »beklagenswerten« Zustand. Das heißt, sie sind ökologisch nicht gesund. Die Ursachen seien neben zu viel Dünger und Pestizidverschmutzungen aus der Agrarindustrie und Schadstoffbelastungen durch den Bergbau auch die Begradigung und Vertiefung von Flüssen und Bächen für die Schifffahrt, sagte der Verbandsvorsitzende Hubert Weiger am Mittwoch in Berlin bei der Vorstellung des »BUND-Gewässerreports 2018«. Der 43-seitige Bericht basiert auf Daten des Umweltbundesamtes.

Gesammelt hat der BUND darin positive wie negative Beispiele, wie mit den Folgen des Bergbaus, der industriellen Landwirtschaft und den Auswirkungen von Begradigungen umgegangen wurde. »Ziel ist zu zeigen, dass sich Engagement lohnt, und wie beim Kalibergbau, wenigstens Teilerfolge zu erringen, um Flüsse, Seen und Grundwasser zu bewahren oder sogar wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen«, erläutert Weiger und bezieht sich auf zahlreiches ehrenamtliches Engagement. Und genau hier liegt für den Umweltverband ein Haken: »Es kann doch nicht die Aufgabe der Umweltverbände sein, die Verantwortlichen zur Einhaltung von EU-Richtlinien zu zwingen.«

Im Jahr 2000 haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf eine gemeinsame Wasserrahmenrichtlinie geeinigt mit dem Ziel, alle Gewässer in einen »guten Zustand« zu bringen. Deutschland hat sich zur Umsetzung bis spätestens 2027 verpflichtet. »Dieser Verantwortung wird Deutschland aber nicht gerecht«, sagte Weiger. Der BUND-Vorsitzende befürchtet zudem, dass die Regierungsparteien den im Sommer anstehenden Überprüfungsprozess auf EU-Ebene nutzen werden, um die Umsetzung der Ziele der Richtlinie zu verschieben oder gar Standards abzusenken. »Deutschland darf nicht zu den Ländern gehören, die sich für eine Aufweichung aussprechen«, so Weiger. Er fordert die Verantwortlichen in Berlin und Brüssel auf, die Wasserrahmenrichtlinie so zu belassen, wie sie ist, und endlich konsequent umzusetzen. Hier gebe es viel Handlungsbedarf. So seien in vielen Fällen noch nicht einmal die Zuständigkeiten zwischen Bund, Ländern und Kommunen geklärt. Dabei fordert der Umweltverband mehr Zuständigkeiten beim Bund. Zum Schutz der Gewässer vor schädlichem Eintrag aus der industriellen Landwirtschaft müssten zudem bundesweit verpflichtende Gewässerrandstreifen mit einer Mindestbreite von zehn Metern eingeführt werden.

Der BUND fordert die Bundesregierung und Ländervertretungen als eine weitere Sofortmaßnahme einen Aktionsplan für gesundes Wasser in Rhein, Donau und Weser zu erstellen, unterlegt mit konkreten Maßnahmen, Geldern und Zeiträumen. Seit 1954 wurden den Angaben zufolge rund 45 Milliarden Euro in Entwässerung, Begradigung und Ausbau von Flüssen in Deutschland investiert. Heute gebe es allein an den Bundeswasserstraßen 340 Stauanlagen und an jedem Fließgewässer bundesweit durchschnittlich alle zwei Kilometer ein Querbauwerk wie etwa ein Stauwehr, das die natürliche Fließgeschwindigkeit bremse. Diese Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen, sei eine gewaltige Aufgabe, für die mehr Geld und mehr Personal in den zuständigen Wasserwirtschaftsbehörden gebraucht werde, sagte Weiger.

Der Gewässerreport zeige zwar, dass sich die Politik »endlich bewegen muss, damit unser Wasser noch zu retten ist«, so Weiger, er verweist aber auch auf positive Beispiele. Deichrückverlegungen, Gewässerrandstreifen und verantwortungsvolle Landwirtschaft brächten Erfolge für die Wasserqualität. Positiv sei zudem, dass die chemische Belastung der Gewässer durch den Ausbau von Klärwerken deutlich zurückgegangen sei, sagte Weiger. Dafür seien diffuse Belastungen wie Hormoneinträge oder Verschmutzungen durch Mikroplastik hinzugekommen.

Auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft sieht Handlungsbedarf, etwa beim Problem von Rückständen von Arzneimitteln. Die bisherigen Maßnahmen reichten oft nicht aus, kritisierte Hauptgeschäftsführer Martin Weyand.