Langer Abschied von Ryszard Petru

Sogar ihr einstiger Gründer verlässt nun die Partei Nowoczesna

  • Wojciech Osinski, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.

Die sich in diesen Tagen verdichtende Krise in der liberalen Oppositionspartei Nowoczesna (Moderne) kommt nicht unverhofft. Bereits im November 2017, als deren Chef Ryszard Petru die Wahlen um den Parteivorsitz gegen Katarzyna Lubnauer verlor, haben sich unverkennbare Differenzen abgezeichnet. Das knappe Wahlergebnis (fast 50 zu 50) verdeutlichte schon damals, dass der Riss quer durch die Partei verlief und sie schon seit längerem von Machtkämpfen zwischen zwei Lagern zerrieben wurde.

Die noch relativ junge Nowoczesna verfügt offenbar noch nicht über die nötige Substanz, um parteiinterne Probleme konstruktiv lösen zu können. So konnte sich Petru augenscheinlich nicht mit seiner Niederlage abfinden: Nur wenige Wochen später gründete er eine neue Gruppe (»Plan Petru«), verblieb aber dennoch in der Nowoczesna. Nun hat er am vergangenen Freitag endgültig die von ihm gegründete Partei verlassen. »Ryszard konnte nicht akzeptieren, dass er gegen eine Frau verloren hat«, sagte Lubnauer gegenüber der Wochenzeitung »Wprost«. Doch neben Petru sind zuvor auch etliche weibliche Mitglieder ausgetreten, darunter die bekannten Abgeordneten Joanna Schmidt und Joanna Scheuring-Wielgus. Petru selbst hatte mehrfach angedeutet, es ginge weniger um persönliche Animositäten als um die programmatische Ausrichtung der Partei. »Die Nowoczesna sollte sich vor allem mit wirtschaftlichen Belangen befassen. Stattdessen konzentriert sie sich seit Monaten nur noch auf gesellschaftliche Themen«, betonte der frühere Parteichef, in Anspielung auf die Auftritte seiner Kontrahentin auf feministischen Kundgebungen.

Die Nowoczesna muss nun nach nur drei Jahren ihres Bestehens gegen jene Verschleißerscheinungen ankämpfen, für die deren »ältere Schwester« vierzehn Jahre gebraucht hatte. Im Gegensatz zu Lubnauers Partei hatte sich die Platforma Obywatelska (PO) jedoch starken Rückhalt in den Kommunen aufgebaut.

Dabei sah 2015 alles noch so optimistisch aus. Die gerade erst gegründete Nowoczesna sollte die abgenutzte und von Abhörskandalen geplagte PO als neue bürgerliche Partei ablösen. Viele ihrer Mitglieder verließen sie in Richtung Nowoczesna. In zahlreichen Büros wurde lediglich das Parteischild am Eingang ausgewechselt. Der Wirtschaftsfachmann Petru wurde schon als künftiger Premier gehandelt. In der Tat war der Ziehsohn des ehemaligen Finanzministers Leszek Balcerowicz zuvor in den Medien mit fachkundigen Expertisen aufgetreten. Aber nun hinterlässt Petru einen Scherbenhaufen, an dem er nicht ganz unbeteiligt ist.

Denn beim Wechsel in die aktive Politik blieb auch er von den verführerischen Vorzügen der Medien nicht unbeeindruckt, übersah jedoch dabei ihre unzähligen Tücken. Petrus Wissenslücken jenseits der Wirtschaft sind schon jetzt legendär. Private Eskapaden haben seinen politischen Absturz beschleunigt: Ein Liebesausflug mit einer Parteikollegin in einer Zeit, in der die Opposition in Warschau geschlossen gegen die Nationalkonservativen auftrat, hat bis heute einen bitteren Beigeschmack. Dann folgte ein Schwenk in die andere Richtung: Petru verlor die Orientierung, vernachlässigte sein Spezialgebiet und ließ sich nur noch auf Anti-PiS-Kundgebungen blicken - mit nur mäßigem rhetorischen Erfolg. Daher können viele der Wähler heute keine Unterschiede mehr zwischen der PO und der Nowoczesna ausmachen, was auch ein Grund für den aktuellen Erfolg der Linken ist. Beide bürgerlichen Parteien greifen derzeit gemeinsam nach dem letzten Strohhalm: Sie haben ein Bündnis geschmiedet, um die PiS bald von den Regierungsbänken in Warschau zu verdrängen.

Doch eine Liaison mit einer zerfallenden Nowoczesna ist auch für die Platforma Obywatelska problematisch. Petru verlässt eine hoch verschuldete und zerstrittene Partei, die das gemeinsame Projekt belasten könnte. Wenn der ehemalige Vorsitzende tatsächlich - wie er selbst beteuert - noch in diesem Jahr eine neue Partei gründet, würde sie die Chancen einer oppositionellen Front beträchtlich schmälern und sie noch weiter atomisieren.

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