Sieh nur, die Schwalben sind da!

Sorgenvoll beobachtete Oma die verlassenen Nester, aus Angst, die Enkelin enttäuschen zu müssen

  • Karin Mußmann
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein trüber, regnerischer Märztag geht zu Ende. »Oma, ich bin noch gar nicht müde. Liest du mir noch eine gaaaanz lange Geschichte vor?«, fragt mein »fast« Schulkind. Aus dem Bücherregal angle ich ein Buch heraus. »Wollen wir das lesen? Das hat deine Mama besonders geliebt. ›Die Schwalbenchristine‹ heißt es.« Ein Buch, das Mama gemocht hat, ist immer gut!

Es wurde wirklich eine ganz, ganz lange Geschichte, da meine Enkelin alle Ängste und Freuden der Christine mit durchlebte. »Oma, sind unsere Schwalben schon wieder da?«, will sie - doch endlich müde geworden - wissen. »Nein, es ist noch nicht die Zeit. Aber wenn du das nächste Mal zu uns kommst, da sind die Schwalben bestimmt schon da.« Mit einem Lächeln im Gesicht schläft sie endlich ein. Vielleicht träumt sie von der kleinen Schwalbe.

Danke!

Da haben Sie sich zum Ende des 16. nd-Lesergeschichten-Wettbewerbs unter dem Motto »Lebe Deinen Traum!« ja noch mal richtig ins Zeug geworfen! Am Montag quoll mein Mailfach fast über von Geschichten, und auch die Post lieferte noch einmal reichlich Lesestoff ab. Ganz herzlichen Dank all jenen, die dazu beigetragen haben, dass die Jury noch eine schwere Zeit vor sich hat: Sie muss nun aus den vielen schönen Geschichten die vermeintlich zehn schönsten aussuchen, die zur Abschlussveranstaltung am 30. Mai im Münzenbergsaal des nd-Gebäudes vorgelesen werden. 18 Uhr geht es los – sichern Sie sich rechtzeitig Ihren Platz, wenn Sie dabei sein wollen.

Am besten per E-Mail unter unterwegs@nd-online.de oder                         telefonisch unter (030) 2978 1655.

Auch heute stellen wir Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wieder zwei Geschichten vor, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Von Stefan Kraus, der davon träumte, eine Veranstaltung mit Erich Hackl auf die Beine zu stellen, und es schließlich auch schaffte, und von Karin Mußmann, die inständig hoffte, dass die Schwalben rechtzeitig aus dem Winterquartier zurückkehren, damit der Traum ihrer Enkelin wahr wird.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und freue mich darauf, viele von Ihnen am 30. Mai persönlich zu treffen.
 Heidi Diehl

Die Wochen vergehen. Immer wieder wandert mein Blick unter das Schleppdach zu den zahlreichen Schwalbennestern. Wo bleiben nur dieses Jahr unsere Schwalben? Ob sie sich etwa verspäten? Im letzten Jahr sind auch nicht sehr viele Jungvögel aufgezogen worden. Ich liebe unsere Schwalben. Mit ihrem lauten Gezwitscher wecken sie uns morgens in der Sommerzeit, nachmittags zum Kaffeetrinken unterhalten sie uns, und abends zeigen sie oft eine Flugshow am blauen Himmel. Da verzeihe ich ihnen meist, dass ich täglich mein Auto von ihren Hinterlassenschaften reinigen muss. Auch wenn ich manchmal über mein besch... Auto schimpfe. Doch wo bleiben sie nur dieses Jahr? Am Wochenende wollen meine Kinder mit den Enkeln kommen, und keine Schwalbe ist zu hören. Vielleicht hat meine Enkelin vergessen, was ich ihr gesagt hatte - hoffe ich.

Es ist Wochenende. Mit einem fröhlichen Gebell kündigt unser Hund die Kommenden an, bevor auch nur eine Tür aufgeht. Von Weitem höre ich schon: »Oma, Oma - ich habe geträumt, die Schwalben sind da!«, und sie fällt mir in die Arme. Jetzt wird sie gleich enttäuscht sein, denke ich. Die Augen meiner Enkelin sind zu den Schwalbennestern gerichtet. »Sieh nur, die Schwalben sind da!«, jubelt sie. Und wirklich - da sitzt eine Schwalbe auf dem Balken und zwitschert uns zu. »Ich habe es gewusst. Ich habe heute Nacht von den Schwalben geträumt«, strahlt meine Enkelin und hüpft singend ins Haus.

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