nd-aktuell.de / 23.05.2018 / Ratgeber / Seite 21

Kommt der Fahr- und Sehtest für Ältere?

Hohes Unfallrisiko im Straßenverkehr

Jürgen Holz

Die Augen sehen schlechter, die Reaktionen werden langsamer, der Schulterblick fällt schwerer: Viele Senioren ab 75 Jahren sitzen trotz Einschränkungen immer noch am Steuer. Dadurch verursachen sie überproportional viele schwere Unfälle.

Rentner als Risiko

Gerät ein Senior ab 75 in einen Unfall mit Toten und Verletzten, dann ist er in drei von vier Fällen der Verursacher, so die Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. »Wenn Senioren über 75 Jahren in Unfälle verwickelt sind, haben sie diese zu rund 75 Prozent selbst verursacht«, sagt der Leiter der Unfallforschung der Versicherer (UDV), Siegfried Brockmann. Die Quote liege damit höher als bei der Hochrisikogruppe der 18- bis 24-Jährigen.

Da Menschen immer länger leben, wird es in Zukunft noch mehr Unfälle mit Senioren geben, prophezeien Unfallforscher. Daher fordern sie eine gesetzlich verpflichtende Feedbackfahrt für alle Autofahrer ab 75 Jahren mit geschulten Beobachtern. Außerdem wollen sie regelmäßige Sehtests im Abstand von fünf Jahren - auch für junge Autofahrer.

Ob Tests für Senioren den Straßenverkehr wirklich sicherer machen, können Wissenschaftler allerdings nicht genau sagen. Viele Experten meinen dennoch, dass eine Regelung gefunden werden müsse. Denn nicht nur das Alter der Rentner wird deutlich steigen, sondern auch deren Anzahl.

Indes: Viele Senioren hängen an ihrem Auto, und viele von ihnen brauchen es für ihre täglichen Wege. Populär ist die Forderung der Versicherungen deshalb nicht. Schon gar nicht, unsichere Rentner dazu zu zwingen, den Führerschein abzugeben.

Keine Pflichttests für Senioren vorgesehen

Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf. So erteilt das Bundesverkehrsministerium generellen Fahrtests für ältere Autofahrer eine Absage. »Pflicht-Tests für Senioren am Steuer wird es nicht geben«, teilte das Ministerium auf Rückfrage mit. »Wir setzen auf Freiwilligkeit und wollen die Autofahrer nicht bevormunden.«

Letztendlich bleibt also der Appell an die Vernunft: Wer sich nicht mehr fit genug fühlt fürs Autofahren, kann den Führerschein freiwillig zurückgeben - oder zumindest eine ebenfalls freiwillige Feedbackfahrt bei einem Verkehrsclub oder einem anderen Anbieter absolvieren.

Freiwillige Fahreignungstest für Senioren werden bereits seit Jahren angeboten. Nach Rückmeldefahrten könne auf Stärken und Schwächen beim Autofahren eingegangen werden. Zudem können Empfehlungen für das Mobilitätsverhalten ausgesprochen werden. Eine solche Testfahrt kostet in der Regel etwa 50 Euro. Konsequenzen zieht sie nicht nach sich - dafür aber vielleicht eine wichtige Einsicht. Auf jeden Fall soll am Ende der Testfahrt nicht der Entzug der Fahrerlaubnis stehen, sondern vielmehr Tipps von Fachleuten, wie die Senioren länger mobil bleiben können.

So regeln es andere Länder

Übrigens gibt es in einigen Ländern spezielle Regelungen: Ältere Schweizer, Italiener, Finnen, Tschechen, Neuseeländer oder Kanadier müssen alle paar Jahre einen Gesundheits- oder Sehtest absolvieren. In einigen Staaten kann der Arzt sie dann zum Fahrtest schicken. Wenn sie dabei scheitern, ist der Führerschein weg. Japan testet in diesem Rahmen außerdem, ob Rentner dement sind.