nd-aktuell.de / 23.05.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 11

Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Nur wenige Schweinswale leben in der zentralen Ostsee, deshalb ist die Paarsuche schwierig

Martina Rathke, Stralsund

Der Ostseeschweinswal ist eine sehr anfällige Schweinswal-Population: Nur knapp 500 Tiere - so fand es das internationale Forschungsprojekt Sambah 2014 heraus - leben in der zentralen Ostsee östlich des Darß. Ihr Verbreitungsgebiet reicht von der vorpommerschen Küste bis an die Küsten Finnlands und Russlands - und ist damit größer als die Bundesrepublik. Selbst wenn sich die Tiere zur Paarsuche südlich der schwedischen Insel Gotland in einem Flachwassergebiet sammeln, gleicht sie noch immer der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Das Paarungsareal - die Midsjöbank - ist immerhin noch so groß wie Mecklenburg-Vorpommern.

Zum Vergleich: In der westlichen Ostsee, der um ein Vielfaches kleineren Beltsee, leben Schätzungen zufolge rund 30 000 Schweinswale. »Dieser westliche Schweinswalbestand ist eine Population, die sich - wie morphologische und genetische Untersuchungen ergaben - mit den eigentlichen Ostseeschweinswalen nicht paart, auch weil sich die Verbreitungsgebiete teilweise überlappen«, sagt Michael Dähne, Kurator für Meeressäuger am Deutschen Meeresmuseum in Stralsund.

Der Ostseeschweinswal gilt wegen der grenzwertigen Bestandsgröße nicht nur als streng geschützte, sondern auch als eine auf äußere Faktoren sehr anfällige Population, sagt die Biologin Anja Gallus. Die Forscher wissen nicht, ob vor 100 oder 200 Jahren - und damit vor den menschlichen Einflüssen wie die Jagd, intensive Befischung und Lärm - deutlich mehr Schweinswale durch die zentrale Ostsee schwammen. Dies sei auch nicht relevant, sagt Gallus. »Wir müssen jetzt etwas tun.« Untersuchungen hätten gezeigt, dass im Durchschnitt das gebärfähige Alter der Population bei rund fünf Jahren liegt, das durchschnittliche Alter der an Stränden oder in Netzen tot gefundenen Tiere bei etwa 4,7 Jahren. Das bedeute, dass ein Großteil der Weibchen nicht ein einziges Mal kalben konnte.

Die Forscher sehen Parallelen zum Vaquita, einer im Golf von Kalifornien lebenden Schweinswalart, von der es nur noch 30 Tiere gibt und die inzwischen als »nicht rettbar« gilt. Dort setzt vor allem die illegal betriebene Fischerei den Tieren zu.

Zwei Jahre nach den Sambah-Ergebnissen (Static Acoustic Monitoring of the Baltic Sea Harbour Porpoise) wies Schweden die Midsjöbank als Schweinswal-Schutzgebiet aus, das nicht nur als Paarungsgebiet sondern auch als »Kinderstube« der Population gilt. Bevor sich die Weibchen einen neuen Partner suchen, bringen sie dort ihrer Kälber zur Welt. Das alles passiert von Juni bis August. »Wir werten die Ausweisung des Schutzgebietes als sehr großen Erfolg«, sagt Gallus. Dennoch fehle es noch an konkreten Schutzmaßnahmen, wie die Einschränkung der Fischerei in besonders sensiblen Monaten.

In der »Ausschließlichen Wirtschaftszone« der deutschen Ostsee sind sechs Naturschutzgebiete ausgewiesen. Fünf führen den Erhalt der Schweinswale als wichtiges Schutzziel auf. Einen detaillierten Managementplan dafür gebe es bislang nicht.

2017 wurden 58 tote Schweinswale an Mecklenburg-Vorpommerns Küste gemeldet, etwa so viele wie in den Negativrekordjahren 2007 und 2009, sagte Michael Dähne vom Meeresmuseum in Stralsund. Nur bei einem Bruchteil lasse sich die Todesursache bestimmen. Doch Verletzungen wiesen darauf hin, dass Tiere oft in Stellnetzen verenden. Forscher des Thünen-Instituts für Ostseefischerei arbeiten an alternativen Fischereimethoden, um Beifang zu verringern.

Fischer in Schleswig-Holstein und in Dänemark haben neue akustische Warngeräte getestet, die an den Netzen befestigt werden. Die Geräte namens PAL senden Signale aus, die den Warnrufen von Schweinswalen ähneln, sagt der Biologe Christian von Dorrien vom Thünen-Institut. Das Institut hat dort, wo das System zum Einsatz kam, eine Reduzierung der Beifänge um 70 Prozent festgestellt.

Naturschützer warnen, im Gerät die Lösung aller Beifangprobleme zu sehen. Möglicherweise gebe es einen »Lerneffekt«. Die Tiere könnten die Geräusche auf lange Sicht nicht mehr als Gefahr wahrnehmen und dann auf der Jagd nach Fisch in die Netze geraten. »Deshalb ist ein intensives Begleitmonitoring für diese Aktivitäten sofort erforderlich«, so Dähne. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Geräte auch in anderen Regionen einsetzbar sind und dauerhaft Schweinswalbeifang reduzieren. dpa/nd