nd-aktuell.de / 24.05.2018 / Kultur / Seite 17

Das Monster im Käfig

Antonín Dvoráks »Frankenstein« an der Hamburger Staatsoper

Roberto Becker

Vor der »Frankenstein«-Uraufführung in der Kulturfabrik Kampnagel griff der Hamburger Staatsopern-Intendant Georges Delnon zum Mikrofon und sagte, das Publikum müsse keine Sorge haben, denn das Monster sei nicht ausgebrochen. Die zweieinhalb Meter große und an Gunther von Hagens’ makabre »Körperwelten« erinnernde Gestalt war freilich im Vorfeld ausgiebig durch die Medien gegeistert und hatte mit ihrem melancholisch dreinblickenden Totenschädel neugieriges Mitgefühl geweckt. Zu ihrer Hauptrolle verhalfen ihr dann drei Puppenspieler und die Schauspielerin Catrin Striebeck, die ihr von einem Pult aus die Stimme lieh, um ihre Version der Geschichte eines verstoßenen Außenseiters zu erzählen, der böse wird, weil ihm die Zuneigung verweigert wird.

Delnons witzige Vorbemerkung barg mehr Wahrheit, als im Kontext einer Opernnovität zum Thema Frankenstein nötig gewesen wäre. Der Name des menschengemachten Monsters ist längst zum Synonym für ein Spiel mit dem Feuer geworden. Gerade im Diskurs darüber, was in digitalisierten Zeiten explosionsartig wachsender künstlicher Intelligenz möglich, wünschenswert oder kreuzgefährlich ist, hat das Thema neuen Schub erhalten. Darüber nachzudenken, bleibt in Hamburg allein den Zuschauern überlassen. Die haben dazu allerdings auch über drei sehr lange Stunden Zeit.

Der Komponist und Librettist Jan Dvořák, aber auch sein Regisseur Philipp Stölzl weichen der eigentlichen Frankenstein-Erfinderin Mary Shelley (1797 - 1851) nicht von der Seite. Die Engländerin hatte mit 18 Jahren jenen Schauerroman geschrieben, der den Namen Frankenstein ein für allemal mit dem ehrgeizigen Wissenschaftler verbunden hat, der dem lieben Gott ins Handwerk pfuscht und daran zu Grunde geht. So wie das Wesen, das er schafft. Was als Vorahnung geniale Züge hat, wird in Hamburg aber meist als Sprechgesang (vor allem Viktor Rud als Victor Frankenstein macht das gekonnt) als geradezu klassischer Text zelebriert. Wenn sich Dvořák dann doch mal davon löst, gelingen ihm höchst atmosphärische, geradezu cineastische musikalische Impressionen, die auch vom Spiel mit dem Erbe der Spätromantik profitieren. Hier lassen Johannes Harneit und das Frankensteinorchester tatsächlich aufleuchten, was man einer »Gothic Opera« zurechnen könnte. Stölzl und Heike Vollmer (Bühne) verbannen das Monster, seine von Kathi Maurer in Biedermeierlook gekleideten menschlichen Partner (bzw. Gegner oder Opfer) in einen Käfig. Dem lassen sich leicht Baumstämme, Fels- oder Eisbrocken, Nebel oder die Pelze gegen die Kälte im ewigen Eis hinzufügen. Dort freilich friert das Feuer »des modernen Prometheus«, den Shelley im Untertitel ihres Romans beschworen hat, endgültig ein.

Das Publikum war sich im Beifall einig. Irgendwo zwischen Zustimmung und Erleichterung-

Nächste Vorstellungen: 25., 27. Mai