nd-aktuell.de / 25.05.2018 / Brandenburg / Seite 10

Die Qualität russischer Quellen

Stasi-Landesbeauftragte wollte der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten reinreden

Wilfried Neiße

Es komme darauf an, das Gedenken nicht auf die DDR und die Nazizeit zu beschränkten, mahnte die Ausschussvorsitzende Marie-Luise von Halem (Grüne) eingangs. Aber natürlich ging es dann doch wieder nur um die »beiden Diktaturen« und sonst nichts. Der Kulturausschuss des Landtags behandelte am Mittwochnachmittag einen Bericht der rot-roten Landesregierung zum neun Jahre alten Konzept »Geschichte vor Ort. Erinnerungskultur im Land Brandenburg für die Zeit von 1933 bis 1990«.

Günter Morsch, scheidender Direktor der Stiftung brandenburgische Gedenkstätten, musste sich Kritik anhören. Die neben ihm sitzende Stasi-Landesbeauftragte Maria Nooke - ihr Revier ist offiziell die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur - warf Morsch vor, die Erforschung der sowjetischen Speziallagers »immer noch nicht auf wissenschaftliche Grundlage« gestellt zu haben. Zwar genieße Morsch verdient Achtung für seine Darstellung Sachsenhausens als faschistisches Konzentrationslager. Was dort zur Vermittlung der Zeit nach 1945 geschehe, nannte Nooke jedoch »unzureichend«. Schon ihre Amtsvorgängerin Ulrike Poppe habe beklagt, in die Arbeit der brandenburgischen Gedenkstätten kaum einbezogen gewesen zu sein, obwohl sich die Zuständigkeiten überlagern würden. Mit ihrem Bemühen, eine stärkere Auseinandersetzung mit den Ereignissen nach 1945 zu erreichen, sei Frau Poppe gescheitert, urteilte Nooke. Der Vorwurf: Morsch stütze sich ausschließlich auf sowjetische Angaben, die nicht überprüfbar seien.

»Die Qualität der russischen Quellen ist erwiesen«, betonte Morsch. Deutlich grenzte er sich von sächsischen Beispielen des Erinnerns ab, denen er »Versagen« attestierte. Morsch erteilte allzu schlichten »Totalitarismusmodellen« eine Absage und mahnte, »platte Opferanalogien zu vermeiden«. Erfreut zeigte er sich über die schließlich gelungene Eröffnung des Gedenkorts »Zuchthaus Brandenburg-Görden«, der sich sowohl dem Justizterror während der Nazizeit als auch Fällen von Justizunrecht in der DDR widme.

Für eine tiefere Erforschung der Speziallager habe er im Bunde mit namhaften Historikern Fördermittel beantragt, sei damit aber zweimal gescheitert, erläuterte Morsch. Die Begründung: »Die Speziallager sind erforscht.« Er befürwortete ein grundsätzliches Überdenken der gesamten Erinnerungsarbeit, warb aber dringend dafür, die Autonomie der Gedenkstättenstiftung zu stärken. Morsch sprach von Interessengruppen, die bestrebt seien, den Gedenkstätten ihre Version der Geschichtssicht aufzudrängen. In diesem Zusammenhang erinnerte der Direktor an verbale und tätlichen Angriffe auf Mitarbeiter der Gedenkstätte Leistikowstraße in Potsdam. Es sei zu begrüßen, dass dieses einstige Gefängnis des sowjetischen Militärgeheimdienstes heute zur Gedenkstättenlandschaft gehört.

Problematisch sei überall der Personalmangel, der es den Gedenkstätten nicht gestatte, die vielen Besucher angemessen durch die Ausstellungen zu begleiten. Dringend nötig sei der Neubau eines Empfangsgebäudes in der Gedenkstätte Sachsenhausen. Konzipiert worden sei das alte Gebäude für 300 000 Besucher im Jahr, sagte Morsch. Inzwischen zählt man mehr als 700 000.

Die Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky (Grüne) kritisierte, dass Fahrten in polnische KZ-Gedenkstätten finanziell unterstützt werden, während das für den Besuch einer DDR-Diktaturgedenkstätte nicht vorgesehen sei. Das könnte ein Grund dafür sein, sich gegen den Besuch der DDR-Gedenkstätte zu entscheiden.

Neue Gedenkstätten werden nur in Ausnahmefällen noch in die Reihe der zu finanzierenden Orte aufgenommen, erläuterte Kulturministerin Martina Münch (SPD) mit Blick auf die begrenzten Mittel.

Die Stasi-Beauftragte Nooke beklagte den schlechten Zustand des nunmehr als Gedenkstätte genutzten ehemaligen NVA-Militärgefängnisses in Schwedt, »dessen Mythos noch heute wirkt«. Sie schlug vor, das DDR-Museum in Perleberg finanziell zu unterstützen, und in Frankfurt (Oder) ein Museum einzurichten, dass über die Transporte deutscher Kriegsgefangener in die Sowjetunion und über ihre Rückkehr Jahre später informiert.