nd-aktuell.de / 26.05.2018 / nd-Commune / Seite 38

Schreiben gegen die Blödheit

ndLive: Fünfmal Literatur über deutsche Zustände in der Kunstkantine

Satiriker wird man eigentlich nur aus Verzweiflung über die Schlechtigkeit der Welt und die Blödheit der Menschheit. Also aus hehren Motiven. Paula Irmschler und Leo Fischer nehmen sich regelmäßig als nd-Kolumnisten des Schlechten und Blöden an, und weil eine sozialistische Tageszeitung allein gar nicht genug Platz für diese schiere Notwehr anbieten kann, fechten die beiden auch noch auf anderen Wortkampfplätzen für das Gute und Schöne. Bei ndLive werden sie querbeet das mediale Geraune und Gebrabbel sezieren, analysieren und der wohlverdienten Entsorgung zuführen. Dass jemand, der im Exil sich erst die fremde Sprache aneignen muss, dennoch gut und spannend zu erzählen weiß, hat sich noch nicht überall herumgesprochen. Omid Rezaee musste als Redakteur eines Studentenmagazins aus dem Iran fliehen. Seit 2015 bildet er sich in Deutschland weiter, schreibt als freier Autor und betreibt eine Webseite in deutscher Sprache mit Berichten aus Politik, Kultur und Gesellschaft. Dabei fördert er Erstaunliches zutage: Berichte aus einem Land, in dem die Mullahs regieren und die Menschen dennoch Mut zum Widerstand zeigen und die uns näher sind, als oft angenommen wird.

Tobias Ginsburg geht unter die Reichsbürger, und alle Türen öffnen sich, weil er ein Porträt dieser großen und kleinen Selbstführer und Widerständler gegen finstere Mächte verspricht. Doch ist es nicht Geltungsdrang allein, der Menschen dazu bringt, Kleinststaaten auszurufen oder auf das »wahre Deutschland« in Utopien hinzuarbeiten. Mit Esoterik und Rassismus, Holocaustleugnung und Gewaltfantasien lässt sich ordentlich Geld verdienen, mit simplen Parolen lassen sich Bundestagsmandate erringen.

Manja Präkels liefert mit »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß« ein präzises Bild von den Zuständen, wenn Nazis die Macht auf den Straßen übernehmen und Staat und Gesellschaft kapitulieren. Ihr Roman über eine Jugend in Brandenburg erhielt deshalb zu Recht den Anna-Seghers-Literaturpreis. mp