nd-aktuell.de / 28.05.2018 / Kultur / Seite 14

Gedanken im Feuer geboren

Achim-Kühn-Ausstellung zur Bücherverbrennung

Elke Lang

»Bücher aus dem Feuer« sind zurzeit in der Gemeindebibliothek Schöneiche finden. Sie stehen nicht in Regalen, die 17 Exponate sind vielmehr auf Tischen ausgestellt. Man kann sie anschauen, aber man kann sie nicht auf herkömmliche Art lesen. Sie sind kunstvoll über dem Schmiedefeuer von Achim Kühn hergestellt worden und werden nun anlässlich der Veranstaltung »Lesen gegen das Vergessen. Zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen im Mai 1933« hier gezeigt. Bücher wurden dem Feuer übergeben. »Achim Kühn kehrt das unrühmliche Geschehen um. So entstehen aus Feuer und Stahl Bücher. Bücher ohne Worte. Gedanken im Feuer geboren«, schreibt Helgard Kühn, die Ehefrau des Metallkünstlers, in dem Faltblatt zur Ausstellung.

Kühns Kunstwerke tragen symbolträchtige, zum Nachdenken und Rätseln anregende Namen. Das erste, das er bereits 1988 gestaltet hat, heißt »Buch für ein unbeschriebenes Blatt«. Es war damals für eine Ausstellung in Bulgarien bestimmt und bekam dafür vermutlich, so Helgard Kühn, wegen dieses Titels nicht die Genehmigung des DDR-Künstlerverbandes. In etwa 30 Exemplaren ging es schließlich in den letzten zwanzig Jahren an private Käufer in der ganzen Welt.

Es gibt ein »Buch der Erinnerung«, bei dem die aufeinandergeschichteten Platten symbolisieren sollen, wie sich Erinnerungen abschleifen, aber auch wie sie zusammengehalten werden, nicht verloren gehen können. Aus dem Objekt »Zwischen den Zeilen lesen« streben Metallbänder über die aufgeschlagenen Seiten hinaus wie Gedanken, denen freier Lauf gelassen wird. Ein »Buch für Jerusalem« gibt es mit eingeritzten Symbolen, darunter der siebenarmige jüdische Leuchter und ein »Buch mit sieben Siegeln«.

Zu Letzterem schreibt Helgard Kühn, dass ihm »mehrfache Gedankenlinien unterlegt werden können. Da ist einmal der weise Text aus dem Neuen Testament, der die Menschen anhalten soll, nicht hinter alle Geheimnisse kommen zu müssen. Oder die Erfahrung, wie wichtig es in der jüngsten deutschen Geschichte war, dass Familien und Freundeskreise unter dem ›Siegel der Verschwiegenheit‹ unangepasst eigene Wege gingen. Schließlich mag aber auch die Forderung durchklingen, das eine oder das andere oder gar alle sieben Siegel zu öffnen und jedweder Geheimniskrämerei keinen Raum mehr zu geben.« Das »Buch mit sieben Siegeln« entstand 1994. Es wird seit 2005 jährlich als Preis der Deutschen Gesellschaft e. V. an Persönlichkeiten vergeben, die sich für die deutsche und europäische Verständigung engagieren.

1942 in Berlin geboren, absolvierte Achim Kühn in der väterlichen Atelierwerkstatt eine Lehre als Metallgestalter und legte 1963 die Meisterprüfung ab. Dem schlossen sich 1964 ein Architekturstudium an der heutigen Bauhaus-Universität Weimar und eine Zusatzausbildung zum Metallrestaurator an. Seit 1967 führt er zusammen mit Helgard Kühn, einer ausgebildeten Goldschmiedin, Atelier und Werkstatt seines Vaters Fritz Kühn (1910 - 1967) in Berlin-Bohnsdorf fort.

»Bücher aus dem Feuer«, bis zum 7. Juli in der Gemeindebibliothek Schöneiche bei Berlin, Dorfaue 5