Knapp bei Kasse

40 Prozent der US-Amerikaner können plötzliche Ausgaben von über 400 Dollar nicht stemmen

  • John Dyer, Boston
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Arbeitslosigkeit in den USA lag im April bei 3,9 Prozent und damit auf dem niedrigsten Stand seit 18 Jahren. Viele Unternehmen, vor allem in den Industrieregionen des Mittleren Westens, haben Schwierigkeiten, Arbeitskräfte zu finden. Dennoch können sich vier von zehn US-Amerikanern eine Notfallausgabe von 400 Dollar (rund 340 Euro) nicht leisten oder müssen Eigentum verleihen oder verkaufen, um sie zu tätigen, wie aus einer kürzlich veröffentlichte Studie der US-Notenbank Fed hervorgeht.

Die Gegenüberstellung zwischen der scheinbaren Gesundheit der Wirtschaft und der Unfähigkeit vieler Bürger, unvorhergesehene Ausgaben zu tätigen, unterstreicht die gemischte Bilanz zu Erholung von der Finanzkrise 2008, sagen Fed-Mitarbeiter. »Die diesjährige Umfrage zeigt, dass steigende Beschäftigungszahlen sich in verbesserten finanziellen Bedingungen für viele, aber nicht für alle Amerikaner niederschlagen«, erklärt Fed-Gouverneurin Lael Brainard. Für den Bericht »Report on the Economic Well-Being of U.S. Households« wurden 12 000 Personen in den USA befragt. Darin sagen 74 Prozent der befragten, dass es ihnen finanziell gut geht. Vor einem Jahr sagten das erst 70 Prozent, vor zwei Jahren, als die Studie erstmals durchgeführt wurde, sogar nur 62 Prozent.

Viele US-Amerikaner werden von ständigen Ausgaben davon abgehalten, etwas für Notfälle zur Seite zu legen. Studenten, die in jüngerer Vergangenheit ihr Studium absolviert haben, müssen insgesamt eine Billion Dollar an Studienkrediten zurückzahlen. Ältere Amerikaner kämpfen mit ihren Rechnungen für medizinische Leistungen. So ist es in den USA zwar gesetzlich sichergestellt, dass Krankenversicherungen abgeschlossen werden können. Diese werden aber häufig zu Preisen angeboten, die sich die Versicherten kaum leisten können. Und Amerikaner mittleren Alters haben Probleme damit, Geld für den Ruhestand zu sparen. Der Bericht besagt, dass 40 Prozent der Befragten nicht das Gefühl haben, dass sie genug für das Alter sparen können.

Wie die Fed feststellt, zeigt die niedrige Arbeitslosenquote zwar auf, wie viele Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz haben, aber nicht, wie viele von ihnen auch genug verdienen. »Viele erfasste Arbeiternehmer haben eine Vollzeitstelle mit regelmäßigen Stunden, Lohnerhöhungen und guten Zusatzleistungen«, heißt es in dem Bericht. »Andere, die auch berufstätig sind, beschreiben eine ganz andere Situation: weniger Stunden, als sie arbeiten wollen, kurzfristige Arbeitszeitänderungen und nur wenige Zusatzleistungen oder Lohnerhöhungen.« Mehr als 20 Prozent der Befragten hätten geäußert, nicht alle Rechnungen bezahlen zu können. Ein Viertel muss aus Kostengründen auf notwendige medizinische Leistungen verzichten.

Die Studie veranschauliche die prekäre finanzielle Situation vieler US-Amerikaner, sagen Experten. »Die Erkenntnis, dass vier von zehn Erwachsenen unerwartete Kosten von 400 Dollar nicht decken können, ohne etwas zu verkaufen oder Geld zu leihen, ist beunruhigend«, sagte Greg McBride, leitender Finanzanalyst bei Bankrate.com, gegenüber CNN. »Nichts ist grundlegender für die finanzielle Stabilität als Ersparnisse, die man nutzen kann, wenn das Unerwartete eintritt.«

Der Finanznachrichtenanbieter MarketWatch hat vergangene Woche einen Bericht veröffentlicht, laut dem 35-Jährigen empfohlenen wird, mindestens doppelt so viel wie ihr Jahreseinkommen auf die Seite zu legen. Auf Twitter wurde der Bericht intensiv diskutiert - und die Vorgabe von MarketWatch als völlig unrealistisch kritisiert.

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