nd-aktuell.de / 30.05.2018 / Ratgeber / Seite 21

Das Internet ersetzt nicht den Arztbesuch

Fragen & Antworten zur Telemedizin

Patienten dürfen künftig auch ohne vorherigen persönlichen Arztbesuch zum Beispiel per Videoschalte oder Online-Chat beraten und behandelt werden, wie es bereits in der Schweiz und Schweden möglich ist.

Was galt bisher und was ist neu?

Bislang war Telemedizin in Deutschland nur erlaubt, wenn Arzt und Patient sich schon kennen. Ein Arzt muss also einen Patienten persönlich untersucht haben, bevor er in Ausnahmefällen Videosprechstunden anbieten kann. Die neue Regelung in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer erlaubt die ausschließliche Fernbehandlung im Einzelfall, wenn dies ärztlich vertretbar erscheint, die ärztliche Sorgfalt gewahrt wird und der Patient über die Besonderheiten dieser Form der Beratung aufgeklärt wird. Der Beschluss muss noch in die rechtsverbindlichen Berufsordnungen der Landesärztekammern übernommen werden.

Was ist Telemedizin?

Bei der Telemedizin beobachtet und beurteilt ein Arzt medizinische Befunde oder Daten eines Patienten über digitale Kommunikationswege, etwa über das Internet per Videosprechstunde oder über eine Handyapp. Patient und Arzt halten sich dabei an unterschiedlichen Orten auf. Telemedizinische Anwendungen gibt es aber auch zwischen Ärzten, etwa um Befunde und Röntgenbilder elektronisch auszutauschen oder eine Zweitmeinung einzuholen.

Welchen Nutzen bringt das?

Vor allem in ländlichen Regionen, die häufig medizinisch unterversorgt sind, kann die Telemedizin nützlich sein. Patienten kann so mancher Weg zum Arzt erspart bleiben, wenn Befunde und Beschwerden am Bildschirm abgeklärt werden können. Auch bei der Nachsorge nach Operationen oder der Überwachung von chronisch Kranken etwa mit Herzschwäche ist die Telemedizin hilfreich. Die Betroffenen übermitteln regelmäßig ihre Daten wie Blutdruck und EKG-Werte von zu Hause an Ärzte, die dann im Notfall einschreiten können. Das kann die Prognose verbessern und im Ernstfall Leben retten. In mehreren Bundesländern werden auch Schlaganfallpatienten auf sogenannten Tele-Stroke-Units behandelt, wenn das nächste Krankenhaus über keine solche spezielle Schlaganfalleinheit verfügt.

Werden damit reine Online-Sprechstunden zur Regel?

Nein, das Internet ersetzt nicht den Arztbesuch. Der persönliche Kontakt zwischen Arzt und Patient soll auch im digitalen Zeitalter weiter Vorrang haben und der Regelfall sein.

Wie verbreitet ist die Telemedizin?

Von einer flächendeckenden Anwendung ist Deutschland noch weit entfernt. Bislang gibt es dazu eine Reihe verschiedener Projekte und Studien. Das deutsche Telemedizinportal gibt darüber auf telemedizinportal.gematik.de[1] einen Überblick. Vorreiter ist Baden-Württemberg, wo im Sommer 2016 die Landesärztekammer ihre Berufsordnung änderte, um die ausschließliche ärztliche Fernbehandlung im Rahmen von Modellprojekten zu ermöglichen. Bislang wurden vier Projekte genehmigt, zuletzt unter anderem die Fernbehandlung von Gefangenen in Haftanstalten. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet, um zu prüfen, ob die Qualität der Fernbehandlung derjenigen in Praxen und Krankenhäusern entspricht. AFP/nd

Links:

  1. https://telemedizinportal.gematik.de