Rosa Kriegerin auf zwei Rädern

Ana Carrasco bricht auf ihrem Motorrad in eine Männerdomäne ein - und führt als erste Frau bei einer Straßen-WM

  • Uli Schember, Donington
  • Lesedauer: 3 Min.

Ana Carrasco fällt auf. Mit ihren pinken Rennhandschuhen und der dazu passenden Helmlackierung sticht die 21-Jährige in der Startaufstellung heraus, inzwischen noch viel mehr als früher, seit sie mit ihrem Motorrad regelmäßig weit vorn steht. Die Spanierin führt als erste Frau das Klassement einer Straßen-Weltmeisterschaft an - nach dem zweiten Sieg im vierten Saisonrennen ist ihr fast alles zuzutrauen.

Mit ihrer Kawasaki Ninja mischt Carrasco derzeit eine Männerdomäne auf. In der Klasse Supersport 300, deren Rennen im Rahmen der Superbike-Weltmeisterschaft stattfinden, hat sie nach vier von acht Läufen 22 Punkte Vorsprung an der Spitze. Härtester Verfolger ist der 23-jährige Luca Grünwald aus Waldkraiburg. »Der zweite Sieg in Serie, das ist unglaublich«, sagte Carrasco am vergangenen Wochenende nach ihrer perfekten Vorstellung in Donington. Sie startete in England von der Pole-Position, fuhr die schnellste Rennrunde und feierte einen Start-Ziel-Sieg.

Ein wenig unheimlich ist ihr der derzeitige Erfolg mit dem DS Junior Team schon, auch wenn er keinesfalls aus dem Nichts kommt. Die Ausnahmeerscheinung aus Murcia hat in ihrer Karriere schon mehrfach Geschichte geschrieben. Im Oktober 2013 wurde sie in der Straßen-WM beim Moto3-Rennen von Sepang 15. - und fuhr damit als erste Frau seit der Deutschen Katja Poensgen in die Punkte. Die heute 41-Jährige aus Mindelheim war 2001 in der 250er-Klasse in Mugello 14. geworden.

So richtig durchgestartet ist Carrasco aber erst nach ihrem Wechsel in die Supersport-WM. Nach drei Moto3-Jahren und einem Jahr WM-Pause ging es 2017 in die Supersport 300, eine Kategorie in der Weltmeisterschaft für seriennahe Maschinen. Schon nach wenigen Monaten triumphierte Carrasco in Portimao als erste Rennfahrerin bei einem Lauf in einer Straßen-Weltmeisterschaft.

»Die Frauen werden niemals in der Überzahl sein, so viel ist klar«, sagte Carrasco damals, hatte aber zumindest die Hoffnung auf mehr Gegnerinnen auf dem Asphalt. »Die Zahl der Frauen wird ansteigen, aber das Level in der WM ist sehr hoch«, so Carrasco, »das macht es noch schwieriger.« Bislang ist der große Aufschwung ausgeblieben. Nach dem Abschied von Carrasco war im vergangenen Jahr nur noch ihre frühere Rivalin Maria Herrera in der Moto3 unterwegs, inzwischen fahren keine Frauen mehr in den drei bedeutendsten Motorradklassen MotoGP, Moto2, Moto3. Auch Herrera, ebenfalls eine 21-jährige Spanierin, ist in die Supersport 300 gegangen. Mit 15 Punkten ist die Yamaha-Pilotin aus Toledo im Klassement derzeit 15., die Mehrzahl der männlichen Konkurrenten steht hinter ihr.

Für die Höhepunkte der etwas anderen »Grid Girls« sorgt aber ihre Landsfrau Carrasco. Die hatte sich vor ein paar Jahren in Assen einen »Grid Boy« in die Startaufstellung geholt und nennt sich »Pink Warrior«. Wie viele ihrer Gegner stammt sie aus einer Motorradfamilie. Ihr Vater war Mechaniker und Rennfahrer. »Mit drei Jahren habe ich ein Bike bekommen, da habe ich angefangen«, erinnert sie sich. Anfangs sei es nur um den Spaß gegangen. »Es gab keinen Druck, nichts«, so Carrasco. »Meine Familie war sehr entspannt.« Mittlerweile ist das anders. Dass sie eine Frau ist, bekommt Carrasco auf der Strecke zu spüren. »Wenn sie gegen mich fahren, strengen sie sich mehr an«, sagt sie über die männlichen Kollegen, »aber das ist mir egal.« SID/nd

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