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  • Verfolgung von Schwulen und Lesben

Bundespräsident entschuldigt sich bei Homosexuellen

Frank-Walter Steinmeier: Bitte um Vergebung für Unrecht und Leid zur NS-Zeit, aber auch in BRD und DDR

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die bis in die sechziger Jahre hinein verfolgten Homosexuellen um Vergebung gebeten. Bei einem Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen erinnerte das Staatsoberhaupt am Sonntag daran, dass Schwule und Lesben auch in der Bundesrepublik und der DDR verfolgt wurden.

Mehr als 20 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik seien zehntausende Männer nach dem Paragraphen 175 verhaftet, verurteilt und eingesperrt worden. Sie hätten sich weiter verstecken müssen, wurden weiterhin bloßgestellt und hätten ihre wirtschaftliche Existenz riskiert: »Für all diejenigen, deren Sexualität schon vor 1945 als eine Straftat galt, für sie persönlich war der 8. Mai 1945 nicht wirklich ein Tag der Befreiung«, sagte der Bundespräsident.

Steinmeier sagte weiter: »Ihr Land hat Sie zu lange warten lassen. Deshalb bitte ich heute um Vergebung - für all das geschehene Leid und Unrecht, und für das lange Schweigen, das darauf folgte.« Sich zu korrigieren, sich ehrlich an die Geschichte zu erinnern und sich nötigenfalls auch zu entschuldigen, wenn Unrecht geschehen ist - das seien große Stärken der Demokratie, unterstrich der Bundespräsident.

Deutschland habe dazugelernt. Vor allem die Engagierten und politisch Bewegten könnten stolz auf das Erreichte sein. Allen Schwulen, Lesben und Bisexuellen, allen Queers, Trans- und Intersexuellen in Deutschland könne heute gesagt werden, »auch Ihre sexuelle Orientierung, auch Ihre sexuelle Identität stehen selbstverständlich unter dem Schutz unseres Staates«. Und weiter: »Auch Ihre Würde ist so selbstverständlich unantastbar, wie sie es schon ganz am Anfang hätte sein sollen.«

Jedoch dürfe sich niemand zufrieden zurücklehnen, wenn etwa homophobe Beleidigungen heute wie selbstverständlich auf dem Schulhof zu hören seien. Es bleibe daher wichtig, immer wieder an die Gedenkorte zu kommen, zu erinnern und die eigene Verantwortung für das Heute zu erkennen.

Das zentrale Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen war am 27. Mai 2008 eingeweiht worden. In dem grauen Kubus gegenüber dem Holocaust-Mahnmal läuft in Endlosschleife ein Film, der durch ein Fenster betrachtet werden kann und der alle paar Jahre gewechselt wird. Der erste Film von Elmgreen und Dragset zeigte zwei sich küssende Männer. Er wurde 2012 durch die Sequenzen »Kuss ohne Ende« abgelöst, die zeigen, wie Menschen auf sich küssende Männer- oder Frauenpaare reagieren.

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums sollte am Sonntag der Film erneut gewechselt werden. Zu sehen ist dann ein Schwarz-Weiß-Video der israelischen Multimediakünstlerin Yael Bartana. Ihr Film war von einem internationalen Gutachtergremium aus elf Vorschlägen ausgewählt worden.

Schätzungen zufolge wurden in der NS-Zeit rund 54.000 Homosexuelle verurteilt. Etwa 7.000 von ihnen, darunter mehrheitlich schwule Männer, kamen in Konzentrationslagern aufgrund von Hunger oder Krankheiten, durch Misshandlungen oder gezielte Mordaktionen um. Der in der NS-Zeit verschärfte Homosexuellen-Paragraf 175 wurde in der Bundesrepublik erst 1969 reformiert und damit Homosexualität unter Erwachsenen straffrei. Endgültig aufgehoben wurde der Paragraf 175 aber erst 15 Jahre später. epd/nd

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