nd-aktuell.de / 04.06.2018 / Kultur / Seite 15

Mosekunds Montag

Wolfgang Hübner

»Kommen Sie mit«, lud Herr Mosekund einen Nachbarn ein, »in der Nähe hat ein originelles Lokal eröffnet. Ich habe gelesen, es soll ungewöhnlich, sättigend und preiswert sein.« Der Nachbar willigte ein, und wenig später betraten sie die »Gerüchteküche«. Kaum dass sie sich gesetzt hatten, tauchte ein Kellner auf, der zwar keine Speisekarte brachte und auch nicht nach Getränkewünschen fragte, stattdessen aber mit gesenkter Stimme erzählte, dass die Gäste am Nachbartisch angeblich pleite seien und mit dem Gerichtsvollzieher rechnen müssten. Kurz darauf kehrte er zurück und flüsterte Herrn Mosekund ins Ohr, sein Begleiter habe sich neulich negativ über ihn geäußert. Dann ging der Kellner zu einem anderen Tisch und sprach mit den dort sitzenden Besuchern, worauf diese sich mit fragenden Blicken zu Herrn Mosekund umschauten. Noch mehrfach kam der Kellner und berichtete von vermeintlichen Ehebrüchen, Meineiden und anderen Unerhörtheiten. Irgendwann sprang Herrn Mosekunds Nachbar auf, eilte hinaus und rief: »Ich habe genug! Mir reicht es! Ich bin bedient! Mir steht es bis hier!« Herr Mosekund lief hinterher und erwiderte: »Wie ich schon sagte: ungewöhnlich, sättigend und preiswert.«