nd-aktuell.de / 18.06.2018 / Berlin / Seite 11

Männerbund AfD

Der Berliner Landesverband dient als Sammelbecken für Burschenschaftler

Christian Meyer

Studentenverbindungen sind Klüngel konservativer bis rechter Männer, in denen seit Jahren über »Genderismus«, »Linksextremismus« und verlorenen Nationalstolz gejammert wird. Dazu kommt ein Wunsch nach Homogenität und Elitendünkel. In diesem Milieu findet die AfD Wähler, Personal und Kandidaten.

Viele Verbindungsstudenten setzten von Anfang an große Hoffnungen in die AfD. Als Vorbild diente vielen wohl Österreich, wo sich die extrem rechte FPÖ seit Jahren aus diesem Spektrum rekrutiert. Im extremen Konservatismus, der nationalen Orientierung und dem anfangs noch stärker ausgeprägten elitären Dünkel der AfD sahen viele eine politische Heimat jenseits der Unionsparteien. Sieht man sich die Partei in Berlin genauer an, scheinen sich auch hier die berüchtigten Seilschaften unter Verbindungsstudenten zu bewähren.

Gerne hätte das »nd« auch direkt mit Vertretern der AfD über ihre Verbindung zu Burschenschaftlern gesprochen. Ein zu diesem Zweck anberaumtes Gespräch im Abgeordnetenhaus machte ein Fraktionsmitglied aber davon abhängig, dass er nicht im Artikel zitiert wird. Das ist bedauernswert, denn es gibt eine ganze Reihe personeller Überschneidungen, zu denen ein Kommentar seitens der AfD interessant gewesen wäre.

Da wäre zum Beispiel Joel Bußmann, Schriftführer der Jungen Alternative Berlin (JA) und Mitarbeiter im Bundestag. Auf der Homepage der JA verlangt er »die Schaffung eines ›Safe-Space‹ für deutsche Patrioten im Herzen Europas«. Er ist Mitglied der Burschenschaft Gothia Berlin, die im Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert ist. Nachdem extrem rechte Bünde dort endgültig das Ruder übernommen hatten und unter anderem über »Ariernachweise« diskutieren wollten, verließen in den vergangenen Jahren reihenweise Verbindungen den Dachverband.

Die Gothia hingegen übernahm dort 2016 den Vorsitz. Der Posten des Verbandssprechers ging dabei an Jörg Sobolewski. Er war Beisitzer im JA-Vorstand und arbeitet ebenfalls im Bundestag bei einem AfD-Abgeordneten. 2016 trat er, Recherchen des antifaschistischen Pressearchivs »apabiz« zufolge, als Redner bei einer Demonstration von »Zukunft Heimat« in Lübben in Erscheinung und sprach dort vom »Großen Austausch«. Unter diesem Begriff betreibt die Identitäre Bewegung (IB) rassistische Hetze gegen Asylsuchende und Migranten. In der Vergangenheit war Sobolewski selbst an einer Aktion der IB beteiligt.

Vor allem im Jugendverband der Partei gibt es enge Kooperation und personelle Überschneidungen mit der IB. Gewisse Bekanntheit erlangte der ehemalige Schatzmeister der Jungen Alternative und Gothe Jannik Brämer, der im Mai 2017 an einer IB-Aktion vor dem Bundesjustizministerium beteiligt war und anschließend mit Haftbefehl gesucht wurde. Brämer, der auch sonst keinen Hehl aus seiner Einstellung macht, wurde dafür aus der Partei ausgeschlossen.

Es ist offensichtlich: Die Grenzen zwischen Partei und rechten Vereinigungen sind durchlässig. Der Vorstandsbeschluss, dass es keine Zusammenarbeit zwischen AfD und Identitärer Bewegung gebe und deren Anhänger nicht in die Partei aufgenommen werden dürfen, ist offenbar nicht besonders wirksam.

Das zeigt auch der Fall The-Hao Ha. Mit ihm ist ein weiterer Korporierter als Beisitzer im aktuellen Vorstand der Jungen Alternative. Seine Schülerverbindung Borussia Berlin sitzt im selben Haus wie die Landsmannschaft Thuringia. Neben der Gothia gilt die Landsmannschaft Thuringia als Rechtsausleger unter den Berliner Verbindungen. Von Ha gibt es zahlreiche Fotos, die ihn mit Identitären zeigen.

Marc Vallendar (auch JA) von der »Burschenschaft Obotritia Berlin« ist Mitglied des Abgeordnetenhauses, er hat eine Mitarbeiterin aus der Damenverbindung »Lysistrata«.

Auch in den Bezirken findet sich die ganze Vielfalt des Verbindungslebens. Sebastian Maack ist AfD-Stadtrat in Reinickendorf und Mitglied in den beiden Landsmannschaften »Baltia Rostock« und »Thuringia Berlin« (beide Coburger Convent). Peer Lars Döhnert sitzt für die AfD in der Bezirksparlament Steglitz-Zehlendorf, war lange Vertriebsleiter der rechten Wochenzeitung »Junge Freiheit« und ist Alter Herr der Studentenverbindung »Verein Deutscher Studenten Berlin und Charlottenburg«. Ambros Tazreiter ist Beisitzer im Vorstand des Bezirksverbands Mitte der AfD, Mitarbeiter des Abgeordnetenhausmitglieds Stefan Franz Kerker sowie des Bundestagsabgeordneten Udo Hemmelgarn und im »Corps Symposion Wien« sowie dem »Corps Vandalia-Teutonia Berlin« (Kösener Senioren Conventsverband) verbunden. Er ist ehemaliger Pressesprecher der Jungen Alternative Berlin. Auch Kerker kommt aus dem Bezirksverband Mitte der AfD. Er ist Mitglied der »Sängerschaft Borussia« und und damit auch Verbandsbruder von Ex-Innensenator Frank Henkel (CDU).

Ein besonders spannender Fall ist Michael Büge. Der Ex-CDU-Staatssekretär für Soziales musste 2013 seinen Stuhl räumen, nachdem er nicht bereit war, aus der Gothia auszutreten. Mit dem in Verbindungen üblichen Lebensbund war es ihm ernst. Seit Oktober 2017 ist er nun Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Landtag Rheinland-Pfalz. Zur etwa gleichen Zeit hielt Büge eine Rede beim 200. Jahrestag des Wartburgfestes, zu dem die Deutsche Burschenschaft eingeladen hatte.

Es überrascht auch wenig, dass im Haus der »Gothia«, wo sich immer wieder Mitglieder der JA tummeln, auch Veranstaltungen des extrem rechten Instituts für Staatspolitik, einem rechten Thinktank mit Sitz in Schnellroda in Sachsen-Anhalt, stattfinden. Die »Gothia« dient zudem als Treffpunkt, beispielsweise im Zusammenhang mit einer Demonstration der Identitären im Juni 2017. Für die Vernetzung der Rechten dürften wichtige Grundlagen im Haus der »Gothia« in Zehlendorf gelegt worden sein.