Streit um Kaisers Bart

Das niedersächsische Wilhelmshaven wirbt mit Wilhelm für sein Stadtjubiläum - doch wer ist da unter der Pickelhaube?

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin wirbt mit dem Bären, Bremen mit den Stadtmusikanten. Doch wer oder was taugt in Wilhelmshaven für ein Logo, mit dem das Stadtjubiläum beworben werden kann? »Nehmen wir doch den Kaiser«, sagten sich findige Köpfe mit Blick auf den Monarchen, dessen Namen die Stadt seit 1869 trägt: Wilhelm I., damals noch König von Preußen, zwei Jahre später Deutscher Kaiser.

Mit wenigen Strichen war er zu Papier gebracht worden: als Logo mit Pickelhaube und Schnurrbart. Doch es wurde - von den Kaiserzeichnern wohl selbst in abstrusen Träumen nicht erwartet - allen Ernstes zum Streitobjekt und kam auf die Tagesordnung des Stadtparlaments, erstmals im Mai. Die Barttracht des gezeichneten Wilhelm hatte den Unmut der FDP erregt. Der Pickelhauben-Kaiser des Logos nämlich trägt nur einen Schnurrbart - nicht jedoch den Backenbart, der dem Namensgeber der Stadt, Wilhelm I., zusätzlich zum Schnurrbart zu eigen war. Die Zeichnung erinnere stattdessen an den Nur-Schnurrbartträger Wilhelm II., sagten die Liberalen und forderten, man möge ein anderes Logo suchen.

Bewogen dazu hatte sie womöglich das Image von Wilhelm II. als Säbelrassler, Uniformfetischist und Weltkriegsmonarch. Und: Mit einem Wilhelm-Schnurrbart war vor geraumer Zeit für ein Einkaufscenter namens »Wilhelms Outlet« geworben worden, das nie realisiert wurde. Auch deshalb tauge das Logo nicht, mahnten die Freidemokraten.

Wer nun denkt, der Streit um des Kaisers Bart werde von der Kommunalpolitik einer 80 000-Einwohner- Stadt als Petitesse angesehen, irrt sehr. Gut 70 Minuten lang debattierte der Rat im Mai über das Kaiserkonterfei - ergebnislos. Deshalb stand Wilhelms Kopf in dieser Woche erneut auf der Tagesordnung, das Thema fraß allerdings nicht soviel Zeit wie bei der erste Beratung. Mit 24 mal Ja bei sechs Gegenstimmen entschied das Stadtparlament: Das Logo bleibt - ohne Backenbart. Verwendet wird es von der Gesellschaft Wilhelmshaven Touristik und Freizeit (WTF). Sie kommentiert den Monarchenkopf: »Wir greifen die üblichen Kaiser-Wilhelm-Assoziationen auf - aber zeitgemäß.« Durch die »Emoji-Bildsprache« werde ein vermeintlich verstaubtes Thema modern adaptiert. »Mit Augenzwinkern bringen wir das teilweise negativ besetzte Image des Kaisers gemeinsam mit der Stadt Wilhelmshaven als Sympathieträger auf Spur«, so die WTF.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal