Gedröhn und Gedöhns

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Abgeordnete als Schauspieler erlebte das Landtagsschloss am Montagabend. »Schlagabtausch Kunst und Politik - ein Parlament der Klänge« hieß diese »Weltpremiere«, wie Landtagspräsidentin Britta Stark (SPD) bei der Eröffnung des Spektakels begeistert sagte. Untermalt wurde das Ganze vom Trommelwirbel der »Weberknechte«, eines Ensembles aus Finsterwalde. Die Jugendlichen legten sich mit ihren Schlaginstrumenten derart ins Zeug, dass sich viele Zuhörer die Ohren zuhielten. Während Trommeln einst Signale übermittelten, rollte der Taktdonner der »Weberknechte« wie ein Panzerzug auf das Publikum zu. Ja, Kunst kann auch Waffe sein. Dennoch gab es immer artig Applaus der vorwiegend älteren Zuhörer. Man will ja nicht als »uncool« gelten.

Vier Abgeordnete aus dem Kulturausschuss wechselten von der Bühne des Parlaments zur Bühne der Kunst. Sie führten eine Art Sprechgesang auf, der von Geiger Simon Jakob Drees musikalisch untermalt wurde. Die vier Abgeordneten von SPD, CDU, LINKE und Grünen dachten sich den Text selbst aus. Sie verhandelten darin ihre Besorgnis, ihre Zweifel. Das war manchmal selbstironisch gemeint, kam zuweilen aber nicht so an.

Je größer das Wort, desto unklarer, was sich dahinter verbirgt, wusste schon der Philosoph Ernst Bloch, und Kultur steht dabei ganz oben. Was ist denn nicht letzten Endes alles Kultur? So war der Vortrag der vier Politiker zu einem guten Teil davon bestimmt, sich über die Sprache der Politik lustig zu machen. »Die Politik strebt danach, von allen verstanden zu werden«, sagte Marie Luise von Halem (Grüne). »Schafft das auch Gemeinsinn?« Berechtigte Frage: Was wäre eigentlich los, wenn die Bürger tatsächlich verstehen würden, was politisch gemeint ist? Gerrit Große (LINKE) beteuerte mehrfach, dass »Kunst eine Tochter der Freiheit« sei und Demokratie brauche - wobei sie tapfer davon abstrahierte, wie viel großartige Kunst in der Auseinandersetzung mit Despotien entstanden ist.

Herr Henryk Wichmann von der CDU gab zu: »Ich fühle mich hier oft mehr zu Hause als im Wahlkreis.« Im Mikroklima des Landtagsschlosses entsteht, was entstehen muss. Untereinander herrscht schon viel mehr Verständnis und Einfühlungsvermögen als gegenüber der bösen Welt da draußen und dem rätselhaften Wesen, das sich Wähler nennt.

Ein merkwürdiges Schauspiel. Hier barmten und jammerten Politiker von Parteien, die doch die heutige Lage in Deutschland oder zumindest in Brandenburg mitbestimmt und mit verursacht haben. Nun, was wollte uns der Dichter damit sagen? Dass die politischen Unterschiede zwischen diesen vier Parteien auf Belanglosigkeiten und Äußerlichkeiten zusammengeschrumpft sind, ahnte man schon vorher - aber sie sind auch emotional zusammengerückt. Die um sich greifende Politikverdrossenheit geht an ihnen nicht spurlos vorbei und schweißt sie zusammen. Sollen sie uns leidtun? Der Abend war ein Ausdruck der Sinnkrise der Politik. Sie benötigt Beifall und bekommt ihn immer seltener. Aber immerhin gab es Beifall am Ende dieses Abends reichlich. Er versüßte ein wenig den Schluck sauren Weins danach.

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