nd-aktuell.de / 29.06.2018 / Politik / Seite 7

Auch ohne Erfolge erfolgreich

Zufrieden blickt das ärmste EU-Mitglied Bulgarien auf seine erste EU-Präsidentschaft zurück

Thomas Roser, Belgrad

Zum Ende von Bulgariens erster EU-Ratspräsidentschaft am Samstag liest Premier Bojko Borissow den Altmitgliedern ungewohnt offen die Leviten. Es sei der »Egoismus« der westlichen EU-Partner, der Europa aufzubrechen drohe, schäumte der Regierungschef in dieser Woche.

Der Grund seines Ärgers: Das Zögern der Partner, seinem Land Zugang zum Warteraum für die Eurozone zu gewähren - sowie mit dem EU-Anwärter Mazedonien trotz dessen Zugeständnissen im Namensstreit mit Griechenland endlich die Beitrittsverhandlungen aufzunehmen. »Was soll Mazedonien denn noch tun? Man stelle sich vor, Deutschland oder Polen müssten ihren Namen ändern«, schimpfte Borissow.

Doch trotz der Misstöne zum Abschied blickt das ärmste EU-Mitglied relativ zufrieden auf seine erste EU-Präsidentschaft zurück. Denn die Zweifel, ob der EU-Habenichts seiner größten internationalen Aufgabe seit der Wende von 1989 gewachsen sein würde, waren vorab groß. Bahnbrechende Erfolge oder Abkommen blieben in der zerstrittenen EU wie erwartet zwar auch während der bulgarischen Präsidentschaft aus - insgeheim befürchtete Pannen aber ebenso. So ging der Sofioter Westbalkangipfel im Mai ohne konkrete Zusagen für die EU-Anwärter über die Bühne - und dessen windelweiche Abschlusserklärung blieb hinter dem Beitrittsversprechen beim EU-Gipfel 2003 in Thessaloniki zurück. Doch als EU-Ratsvorsitzendem sei es Bulgarien zumindest gelungen, die EU-Integration des Westbalkans »erneut auf die Tagesordnung zu bringen«, zieht das staatliche Radio Bulgaria einigermaßen zufrieden Bilanz.

Während der bulgarischen Präsidentschaft vermochten sich die EU-Partner immerhin auf eine neue Richtlinie zur Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und die - allerdings keineswegs unumstrittene - Einführung einer neuen Urheberrichtlinie zu einigen. Keinerlei Fortschritte wurden hingegen beim Streit um eine Reform des Dublin-Abkommens und bei der Verteilung von Flüchtlingen erzielt: Die Fronten haben sich eher verhärtet.

Auch die diplomatischen Bemühungen Sofias um eine Verbesserung der EU-Beziehungen zu Ankara sollten sich im Streit um die in der EU ungewünschten Wahlkampfauftritte von Präsident Recip Tayyip Erdogan als vergeblich erweisen. Dennoch überwiegen aus Sicht der Gastgeber die positiven Aspekte. »Bulgarien genießt den bescheidenen Erfolg der Präsidentschaft«, titelt die Agentur Balkan Insight, die auch auf die »Entprovinzialisierung« und die internationalen Erfahrungen des bulgarischen Staatsapparats im vergangenen Halbjahr verweist.