nd-aktuell.de / 02.07.2018 / Politik / Seite 8

Ist Trump ein Selbstherrscher?

Die Bundeszentrale für politische Bildung diskutierte in Berlin, ob die USA in eine Autokratie abgleiten

Reiner Oschmann

»Trump sieht sich nicht als Zerstörer des Westens, sondern als seinen Erneuerer«, glaubt Peter Rough von der konservativen Washingtoner Denkfabrik Hudson Institute. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellte die Frage »Steuert Donald Trump Amerika in die Autokratie?«, in Berlin antworteten die US-Amerikanerin Regina Joseph, Gründerin der Beratungsagentur Sibylink in New York und Den Haag, Jan-Werner Müller, Professor für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Princeton University in New Jersey und Peter Rough.

Autokratie bedeutet »Selbstherrschaft« und bezeichnete eine Sonderform der Monarchie. In ihr bündelt der Autokrat die Staatsgewalt ganz bei sich - also das, was aktuell Putin in Russland und Erdogan in der Türkei tun.

Und in den USA? Die Akteure verzichteten eingangs darauf, zu klären, ob jeder dasselbe unter Autokratie versteht. Trotz Meinungsverschiedenheiten war sich das Podium einig, dass die USA nach 17 Amtsmonaten Trump noch nicht den Autokratie-Befund verdienen. Doch die Aber folgten sogleich: Der Rheinländer Jan-Werner Müller erinnerte daran, dass die USA auch vor Trump immer eine fehlerhafte Demokratie gewesen seien. Unter Trump sehe sich die Demokratie ernsten strukturellen Gefahren gegenüber; sie gingen vorläufig aber nicht so weit wie »in der Türkei oder Ungarn« - und sie ließen sich bisher auch nicht mit denen vor Beginn der Nazizeit in Deutschland vergleichen.

Deutlich besorgter zeigte sich Regina Joseph: »Die USA sind ganz sicher eine Demokratie, aber ebenso sicher eine bedrohte Demokratie.« Die Bedrohungen verstärkten sich mit Trump, hätten jedoch vor ihm begonnen. Nach dem 11. September 2001 seien Grundrechte beschnitten worden, und vor allem die Informationsrevolution hinterlasse mit ihrer Lenkung durch Big Money flächendeckend Unbildung. »Viele Amerikaner sehen keine Nachrichten mehr, und das, was ihnen von Sendern wie Fox News serviert wird, sind keine Informationen, sondern einseitige Botschaften, die es den Empfängern immer schwerer machen, zu sagen, was wirklich wichtig und was banal ist.«

Auf die »nd«-Frage, welche Veränderungen seit Trumps Antritt am problematischsten seien, antwortete Joseph mit dieser Liste: Das Abstumpfen gegenüber Lügen; das Verächtlichmachen von Werten und Empathie; die Abkehr von wissenschaftlichen Erkenntnissen und die Hinwendung zu Korruption; die Zerstörung des transatlantischen Bündnisses.

»Formal betrachtet sind Trumps USA keine Autokratie«, so Joseph. »Aber ganz gewiss gleiten sie unter ihm in eine Kleptokratie ab, in der Regierungsbeamte ihre Positionen missbrauchen, um sich die Taschen zu füllen und die Gesetzgebung so zu manipulieren, dass Investoren, Banken sowie Energie- und Rohstoffunternehmen von Grund und Boden im öffentlichen und im Bundesbesitz profitieren.«

Peter Rough (35, kärntnerische Mutter, amerikanischer Vater) von der konservativen Denkfabrik Hudson Institute sieht hingegen nicht nur keine Gefahr für die US-Demokratie, sondern im heutigen Präsidenten, der »aus Rebellion gegen den Zustand der Demokratie gewählt wurde«, geradezu ein »Gegenstück zu einem Autokraten«. Er verspreche sich keinen langfristigen Gewinn durch die Demontage des Westens, sondern sieht sich als seinen Erneuerer. Trump weise die Vorstellungen eines sich immer weiter integrierenden internationalen Systems zurück. »Stattdessen bleiben für ihn Nationalstaaten mit militärischer Macht das Hauptmerkmal der internationalen Politik. Trump findet, dass er mit dieser Sicht der Realität Rechnung trägt, statt utopische Ansprüche zu bedienen.«

Zur Frage, ob Trump überhaupt langfristig denke, sagte Rough, der George W. Bush bei seinen Memoiren half: »Trump hat ein klares Weltbild, doch als erster Nicht-Politiker, der ins Weiße Haus kam, übertragen sich seine Instinkte nicht immer natürlich in Politikgestaltung.« Nur die Zeit werde zeigen, ob Trumps Antworten mehr taugen.

Sein Vorteil liege darin, dass die Macht der USA, die er entschlossen einsetzen will, einige Auseinandersetzungen erleichtern kann. Befragt, von welcher Seite Trump die größte Gefahr für seine Wiederwahl drohe, meinte Rough: »Alle erfolgreichen Politiker haben eine letztlich unschlagbare Kernreferenz. Für Trump gelten als wichtigste Stärken sein Geschäfts- und Verhandlungsgeschick. Wenn es ihm nicht gelingt, erfolgreich die vielen Verhandlungsfronten zu schließen, die er aufgemacht hat - von NAFTA bis zum Handel mit China -, wird seine Wiederwahl gefährdet sein. Damit direkt verbunden sind natürlich Wirtschaft und Wirtschaftswachstum in den USA.«

Und was ist mit Sonderermittler Mueller zur russischen Einmischung in die US-Wahlen? Rough zu »nd«: »Mueller steht für das derzeit wichtigste innenpolitische Ereignis, doch ich sehe nicht, dass er auf Basis der bisher bekannten harten Fakten eine Komplizenschaft belegen kann. Wichtiger ist, ob die Demokraten im Herbst die Mehrheit im Repräsentantenhaus zurückgewinnen, was wohl geschehen wird.« Dann würden sie wahrscheinlich ein Amtsenthebungsverfahren in Gang setzen, doch der Senat werde Trump nicht verurteilen. »Ich rechne nicht damit, dass die Ermittlungen den Präsidenten zur Strecke bringen.«

Auch Jan-Werner Müller gab sich auf dem Podium skeptisch, ob der erwartete Bericht des Sonderermittlers Trump stürzen kann. »Solange der Mueller-Report keine echte Bombe enthält, wird sich Trumps Basis kaum abwenden. Es gibt inzwischen eine echte trumpistische Bewegung. Die würde wohl in Aktion treten, wenn der Sonderreport des Sonderermittlers schlechte Nachrichten für den Präsidenten haben sollte.«