nd-aktuell.de / 04.07.2018 / Ratgeber / Seite 26

Wie Streit ums Erbe vermieden wird

Testamentsvollstreckung

Andreas Otto Kühne

Nicht selten fangen mit einer Erbschaft die Probleme erst an. Wenn es mehr als einen Erben gibt, bilden sie automatisch eine Erbengemeinschaft. Dann müssen alle Erben gemeinsam über jeden einzelnen Nachlasswert entscheiden. Stellt sich nur ein Erbe quer, werden wichtige Entscheidungen verzögert oder blockiert. Oft kommt es zu langwierigen rechtlichen Auseinandersetzungen. Besonders groß ist das Konfliktpotenzial bei umfangreichen Nachlässen mit Immobilien-, Betriebs- oder Auslandsvermögen.

Testamentsvollstrecker verlängerter Arm des Erblassers

Immer mehr Erblasser bauen vor und verfügen in ihrem letzten Willen eine Testamentsvollstreckung. Der Vollstrecker agiert als verlängerter Arm des Erblassers und nimmt den Nachlass anstelle der Erben in Besitz.

Nach Schätzungen entscheidet sich bei umfangreichen Nachlässen rund die Hälfte der Erblasser für eine Testamentsvollstreckung. Die Tendenz ist stark steigend. Besonders groß ist der Handlungsbedarf bei Firmeninhabern. Sie müssen ihren letzten Willen besonders gründlich gestalten. Zählt Betriebsvermögen zum Erbe, droht ohne Testamentsvollstreckung Chaos im Betrieb oder die Zerschlagung des Unternehmens.

Den Familienfrieden im Blick

Der Testamentsvollstrecker handelt nach den Vorgaben des Erblassers und stellt sicher, dass sein letzter Wille auch tatsächlich umgesetzt wird. Er bemüht sich, die Interessen aller im Testament Bedachten zu beachten und einvernehmliche Lösungen zu finden. Dabei ist er Treuhänder, Berater und Moderator in einem. Auf diese Weise kann er in vielen Fällen den Familienfrieden wahren.

Dazu ist der Testamentsvollstrecker mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet und trifft alle Entscheidungen rund um das Erbe. Die eigentlichen Erben dürfen bis auf Weiteres nicht über den Nachlass verfügen.

Doch nicht nach dem Geschmack eines jeden Erben

Ein Testamentsvollstrecker schmeckt lange nicht jedem Erben. Dies gilt insbesondere für die Dauervollstreckung. Erben müssen dann unter Umständen viele Jahre akzeptieren, dass ein Dritter und nicht sie selbst den Nachlass verwalten.

Auf diese Variante der Testamentsvollstreckung greifen gerne Firmeninhaber mit jungen Nachkommen zurück. Minderjährige oder geschäftlich unerfahrene Erben sollen das Zepter erst übernehmen, wenn sie den unternehmerischen Herausforderungen auch gewachsen sind.

Als kurzfristige Variante kommt die Abwicklungsvollstreckung in Betracht. Hierbei ist der Vollstrecker für die Sicherung des Nachlasses, die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft und die Aufteilung des Erbes verantwortlich. Der Erblasser kann eine friedliche Abwicklung erleichtern. Durch eine Teilungsanordnung weist er einige Vermögensgegenstände bestimmten Erben zu. Die Wertdifferenz wird dann unter den Erben ausgeglichen.

Testamentsvollstreckung durch Kreditinstitute

Viele Erblasser beauftragen mit dem verantwortungsvollen Amt des Testamentsvollstreckers Personen, zu denen eine langjährige, vertrauensvolle Beziehung existiert. Doch häufig sind die Kandidaten im gleichen Alter wie der Erblasser. Die Gefahr: Der Vollstrecker verstirbt schon vor seiner Amtsführung oder ist krankheitsbedingt daran gehindert. Deshalb sollten Erblasser sicherheitshalber auch eine Ersatzperson benennen.

Die Wahl eines Miterben als Testamentsvollstreckers ist problematisch. Schnell kommt es zu Missstimmungen in der Erbengemeinschaft. Schließlich fürchten die Miterben, dass der Vollstrecker nicht neutral agiert und eigene Wünsche voranstellt.

Eine praktikable Alternative ist die Testamentsvollstreckung durch Banken und Sparkassen. Immer mehr Institute bauen spezialisierte Abteilungen mit geschulten Mitarbeitern auf. Wer ein Institut zum Testamentsvollstrecker beruft, umgeht von vorn herein dessen Todesfallrisiko. Schließlich sind juristische Personen »unsterblich«, solange sie nicht insolvent gehen.

Banker sind nicht nur mit der persönlichen Vermögenssituation vertraut, sondern auch fachlich prädestiniert, das Nachlassvermögen sinnvoll anzulegen. Vor übereifrigen Bankern und überbordenden Provisionen kann man sich schützen. Erblasser können testamentarisch genau festlegen, welche Art von Vermögensanlagen und Transaktionen gewünscht sind. Idealerweise sind die Banker nicht nur mit dem Erblasser, sondern auch mit den Erben persönlich vertraut. Dies erleichtert die spätere Amtsführung.

Vor dem Bankgespräch sollten Erblasser mit einem Anwalt klären, in welchem Umfang eine Testamentsvollstreckung ratsam ist und wie persönliche Vorstellungen am besten umgesetzt werden können. So gewinnt der Erblasser ein Anforderungsprofil, um mit der Bank über Art und Umfang der Testamentsvollstreckung zu sprechen.

Keine Angriffspunkte bieten

Die Machtfülle des Vollstreckers ist einigen Erben ein Dorn im Auge. Missmutige Erben gehen bei erster Gelegenheit auf Konfrontationskurs. Unklare oder lückenhafte Regelungen können den Streit weiter anheizen. Umso wichtiger ist es, alle Verfügungen mit Weitsicht zu treffen und die Amtsführung des Vollstreckers präzise auszugestalten. Nur so kann er seine Rolle optimal ausfüllen und störungsfrei arbeiten.

Die aktuelle Rechtsprechung mahnt zur Weitsicht. Viele Regelungen sind streitanfällig und erfordern eine Nachbesserung. Es ist ratsam, bestehende Verfügungen auf den Prüfstand zu stellen und neue sehr gründlich auszuarbeiten.

Eine Testamentsvollstreckung lässt sich sehr unterschiedlich regeln. Dies eröffnet Erblassern die Chance, passgenaue Regelungen für ihre individuellen Lebensumstände zu treffen. Gleichzeitig sollten Erblasser eine Testamentsvollstreckung sehr sorgfältig und nur mit anwaltlicher Hilfe verfassen (siehe »Klare Verhältnisse schaffen«). So kann der Erblasser über seinen Tod hinaus Einfluss auf die Verteilung seines Vermögens nehmen und viele Konflikte unter den Erben von vorn herein unterbinden.

Der Autor ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erbrecht und Partner der Kanzlei BKL Fischer Kühne + Partner.