nd-aktuell.de / 10.07.2018 / Wissen / Seite 14

Schwere Zeiten für Telefonauskunft

Rund 500 000 Anrufe täglich gab es um die Jahrtausendwende bei der 11880 - und heute?

Bonn. »11 Mann hat eine Fußballmannschaft, 88 ist meine Oma, und 0 ...« - Es ist keine 15 Jahre her, da erklärte TV-Moderatorin Verona Pooth - damals Feldbusch - einleuchtend ihre Merkstrategie von Telefonnummern. Und: »Da werden Sie geholfen.« Auch FC-Bayern-Manager Uli Hoeneß taugte seinerzeit zur Werbefigur für die Telefonauskunft.

Vor allem die jüngere Generation dürfte heute mit dieser Webung wenig anzufangen wissen: Die Zeit scheint über die Auskunfts-Rufnummern der 11880 Solutions AG, vormals Telegate, und der Telekom hinweggegangen. Dass sie trotzdem noch im Dienst sind, mag manchen überraschen.

Denn wer einen Dachdeckermeister braucht, sucht mit seinem Smartphone im Internet und kann dort gleich sehen, wie zufrieden andere Nutzer mit dem Handwerker waren. Auf die Idee, für zwei Euro und mehr pro Minute am Telefon nach der Nummer zu fragen, käme heute wohl kaum noch jemand - könnte man meinen.

Doch die Auskunft gibt es nach wie vor, und genutzt wird sie ebenfalls. »Auch heute rufen noch im Schnitt, je nach Monat, rund 10 000 bis 12 000 Menschen täglich bei 11880 an, um persönliche Hilfe zu bekommen«, teilt etwa das Unternehmen 11880 Solutions AG mit, das mit rund 40 Prozent Marktanteil nach der Telekom der zweitgrößte Auskunftsdienstleister ist. Beide haben ihren Sitz in Bonn (Nordrhein-Westfalen) Gefragt werde nicht nur nach Telefonnummern, sondern auch nach Kinoprogrammen, Fahrplänen, Börsenkursen oder nach Ergebnissen wichtiger Fußballspiele.

Allerdings sollen es um die Jahrtausendwende täglich bis zu einer halbe Million Anrufer gewesen sein. »Das Gesamtvolumen des telefonischen Auskunftsmarktes sank pro Jahr um rund 20 Prozent«, heißt es. Das spürt auch die Telekom. Rund zehn Millionen Anfragen seien im vergangenen Jahr bei der Auskunftsrufnummer 11833 eingegangen. Vor zehn Jahren seien es noch rund 100 Millionen Anrufe gewesen, teilt ein Sprecher mit. Die Zahl der Mitarbeiter in der Abteilung wurde seitdem stark gesenkt.

»Die klassische Telefonauskunft wird eigentlich nur noch von sehr viel älteren Mitbürgern benutzt, oder von harten Technikverweigerern, Esoterikern etwa, die Angst vor Handystrahlung haben«, sagt der Kommunikationsforscher Uwe Pöhls. Er leitet in Düsseldorf das Institut für empirische Sozial- und Kommunikationsforschung. »Das Smartphone hat in dieser Hinsicht die Welt verändert.«

In Zeiten aber, in denen das Telefon häufig noch die einzige Möglichkeit war, schnell an Informationen zu kommen, war die Auskunft eine wichtige Anlaufstelle. So wichtig, dass die Telekom als sogenannter Universaldienstleister nach wie vor gesetzlich dazu verpflichtet ist, sie anzubieten. Schon seit mehreren Jahren prüft die Europäische Union allerdings, ob das angesichts der Digitalisierung noch zeitgemäß ist. In einem Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2016 ist vorgesehen, bestimmte Dienste, wie Telefonzellen und Auskunftsdienste von den Universaldienstregelungen auszunehmen. Doch umgesetzt ist das bislang nicht.

»Die Politik hat sich viel zu spät Gedanken darüber gemacht, was man mit diesem alten Kanal machen könnte, so dass er den Bedürfnissen der Bürger wieder entspricht«, sagt Kommunikationsforscher Pöhls. Ein guter Ansatz war aus seiner Sicht die Einrichtung der Behördenrufnummer 115, mit der Bürger einen direkten Draht zu den Kommunen haben und vor allem Verwaltungsfragen zu Reisepass, Wohnung oder Auto stellen können. Doch am Ende sei auch diese Maßnahme angesichts der rasant fortschreitenden Digitalisierung zu spät. »Die Nutzungsdaten sind lächerlich«, sagt Pöhls, »und die Nummer ist gar nicht flächendeckend in allen Ländern eingerichtet.«

Auch die Telekom hat nach Möglichkeiten gesucht, um die Auskunft wieder attraktiver zu machen. »Es wurden diverse neue Angebote wie Hotel-, Mietwagen- oder Gastankstellensuchen getestet, die sich aber wirtschaftlich nicht abbilden ließen«, heißt es. Die klassische Telefonauskunft wird den Menschen trotzdem noch eine Weile erhalten bleiben - als nostalgische Erinnerung an eine andere Zeit. dpa/nd