Antimilitarist, Anarchist, Antifaschist, Revolutionär, Bohemien, Libertin, Mensch

Lesung, Gespräch, Tanzmusik: In Friedrichshain findet zum wiederholten Mal das Erich-Mühsam-Fest statt

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Man kann leider nur mutmaßen, was der Schriftsteller Erich Mühsam zu einem solch armseligen und lachhaften Streber-, Abgreif- und Machterhaltungsapparat wie der heutigen Sozialdemokratie gesagt hätte. Allzu gern hätte man ihm jedenfalls zugehört.

Der Mann hat ja bereits wiederholt und wortreich die Niedertracht der Sozialdemokraten seiner Zeit beschrieben: «Grinsend rief der dicke Ebert / von dem Präsidentensitz: / »An mein Volk: Du hältst die Schnauze!« / Und gleich schrie man: »Bravo, Fritz!« Nicht nur die Eberts und Noskes aber nahm sich Mühsam vor, sondern auch den stets dienstbaren kleinen Sozialdemokraten von nebenan, der, stolz auf seine Lakaienseele, bisher noch immer jede sozialdemokratische Gemeinheit, und sei diese noch so grotesk und entwürdigend, für notwendig und gut befunden und brav abgenickt hat. Mühsams legendär gewordenes, weil ewig gültig das Wesen der SPD veranschaulichendes Gedicht vom Lampenputzer (»Der Revoluzzer«, 1907) legt davon Zeugnis ab.

Mühsam - lebenslang als Libertin, Bohemien, Antimilitarist, Revolutionär unterwegs, am 10. Juli 1934 von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Oranienburg ermordet - betrachtete seinen revolutionären Optimismus und seinen vitalistischen romantischen Anarchismus stets als eine Haltung, mit der er »links von den Parteien« stand. »Seit vollen 20 Jahren habe ich meinen agitatorischen Eifer keiner Aufgabe so hingebend zugewandt wie der Kritik des zentralistischen Parteiwesens«, schrieb er etwa im Januar 1921 in sein Tagebuch. Man wäre dankbar, gäbe es heute wenigstens eine Hand voll von seiner Sorte.

Der äußerst verdienstvolle Verbrecher-Verlag, der sich des Werks des Dichters und Anarchisten angenommen hat und in dem bereits seit mehreren Jahren eine auf insgesamt 15 Bände angelegte Edition der Tagebücher Erich Mühsams erscheint, ruft nun zum Fest und kündigt einen »Abend für Erich Mühsam mit Lesung, Konzert, Podiumsgespräch und lebensbejahender Tanzmusik« an: Der Schauspieler Robert Stadlober, der sich seit vielen Jahren in der undogmatischen außerparlamentarischen Linken engagiert, wird aus dem soeben neu erschienenen Band der Mühsam-Tagebücher lesen. Hinterher werden der Verleger und Publizist Jörg Sundermeier und die beiden Herausgeber der Mühsam-Edition, Chris Hirte und Conrad Piens, über das Mühsam’sche Werk sprechen.

Musik gibt es auch, und nicht nur solche aus der Konserve: Die Gruppe Der Singende Tresen wird von ihr vertonte Gedichte Mühsams zum Besten geben. Die Berliner Band wurde 2001 von der Schriftstellerin Manja Präkels gegründet, deren Debütroman »Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß«, eine »erschütternde Schilderung aus dem Leben in der ostdeutschen Provinz« (RBB), in zahlreichen Medien sehr gelobt wurde.

Moderieren wird den Abend der Schriftsteller Markus Liske, der gemeinsam mit Präkels auch vor einigen Jahren ein Erich-Mühsam-Lesebuch veröffentlichte. Gegenwärtig arbeitet er an einem Buchprojekt zu Erich Mühsams Rolle in der Bayerischen Räterepublik.

Ach ja: Diverse Getränke und Grillwaren sind auch erhältlich. »Für Veganer gibt es nordafrikanische Spezialitäten.«

»Das seid ihr Hunde wert!« Ein Abend für Erich Mühsam. 13. Juli, ab 18 Uhr,

Gaststätte »ZUKUNFT« am Ostkreuz, Laskerstraße 5, Friedrichshain

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