Dialog auf Augenhöhe

Kolonialismus

  • Nada Weigelt
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein Königsthron aus Kamerun, Bronze-Figuren aus Benin oder Totenmasken aus Neuguinea - die deutschen Museen sind voll von Schätzen, die aus der Kolonialzeit stammen. Wie viel Blut klebt an diesen Objekten? Wie geht man heute damit um? Wer hat Anspruch darauf?

Erst in jüngster Zeit beginnt Deutschland, sich mit solchen Fragen öffentlich auseinanderzusetzen. Einen Anstoß gab die Debatte um das Humboldt-Forum in Berlin, das vom kommenden Jahr an eine der weltweit wichtigsten ethnologischen Sammlungen zeigen soll. Für zusätzlichen Druck sorgte der französische Präsident Emmanuel Macron. Er kündigte im vergangenen November überraschend an, innerhalb von fünf Jahren die Kunstschätze aus den früheren Kolonien in Afrika an die Herkunftsländer zurückzugeben.

»In Deutschland hat die Aufarbeitung des Holocaust nach 1945 zunächst sehr viel kritische Energie in Anspruch genommen. Dahinter konnte sich so etwas wie ein kolonialer Gedächtnisverlust breitmachen«, sagt der Hamburger Kolonialismus-Experte Jürgen Zimmerer. »Jetzt wäre es an der Zeit, dass Deutschland eine Vorreiterrolle übernimmt und mit gutem Beispiel vorangeht. Das sind wir uns selbst schuldig.«

Notwendig ist seiner Meinung nach eine Untersuchung der Sammlungen durch unabhängige, externe Experten. Auch eine generelle Umkehr der Beweislast sei erforderlich: »Angesichts des Unrechtscharakters und des Machtungleichgewichts im Kolonialismus ist bei kolonialen Objekten ein problematischer Erwerb so lange anzunehmen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist.«

Einiges ist bereits auf dem Weg. So gibt es beispielhafte Projekte zur Erforschung der Herkunft von Sammlungen, bei denen auch afrikanische Experten eingebunden sind - etwa am Bremer Übersee-Museum oder bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in Berlin. Und erstmals ist im Koalitionsvertrag der schwarz-roten Regierung die Aufarbeitung des Kolonialismus ausdrücklich als Aufgabe festgehalten.

»Wir wollen den Prozess im Dialog mit den Herkunftsgesellschaften gestalten. Das ist eine große Chance, weil beide Seiten voneinander lernen«, sagt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). »Wo Kulturgüter nicht gekauft oder getauscht wurden, sondern eindeutig geraubt, kann es nur um Rückgabe der fraglichen Objekte gehen. Aber dafür sind immer sehr komplizierte Sachverhalte zu klären.«

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat - auch mit Blick auf das Humboldt-Forum - sechs zusätzliche Stellen zur sogenannten Provenienzforschung bekommen. Und Grütters’ Etat für die Herkunftsermittlung bei kolonialem Kulturgut wird um drei Millionen Euro erhöht. Das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg soll damit Museen deutschlandweit bei der Suche nach kolonialer Raubkunst in ihren Sammlungen unterstützen. dpa/nd

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