nd-aktuell.de / 20.07.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 14

»Viele Bauern greifen die Vorräte für den Winter an«

Notschlachtungen, Aufrufe zum Wassersparen, lange Wartezeit an Schleusen - auch Schleswig-Holstein hat schwer mit der Dürre zu kämpfen

Dieter Hanisch

Jahrhundertsommer mit täglich bis zu 14 Stunden Sonne: Des einen Freud, des anderen Leid. Die einen erleben gerade die schönste Jahreszeit, andere bekommen die Schattenseiten des Sommers in einem ungewöhnlichen Ausmaß zu spüren. Vor allem in Nord- und Mitteldeutschland gibt es Landstriche, in denen seit mehreren Wochen kein Tropfen Regen gefallen ist. Die einzige Feuchtigkeit für die Pflanzenwelt brachte ab und an leichter Morgennebel.

Während Urlauber an Nord- und Ostsee sich über 20 und mehr Grad warmes Badewasser freuen und man sich in der Touristikbranche die Hände reiben kann, gibt es doch etliche Gefahren. Und es gibt Verlierer.

In Schleswig-Holstein zum Beispiel ballen sich die Probleme derzeit besonders. Etwa im Haus von Umwelt- und Landwirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Dort hat man für das nördlichste Bundesland inzwischen die zweithöchste Waldbrandgefahrenstufe ausgerufen. Seit Wochen gibt es täglich Flächenbrände im Land, die dank des Einsatzes vieler Feuerwehrkräfte bisher zum Glück aber alle glimpflich ausgingen. Vielerorts rücken die Wehren auch aus, um städtisches Grün zu bewässern. Mittlerweile gibt es aber mit Nordfriesland und Dithmarschen bereits erste Regionen im Norden, in denen die Bevölkerung dazu aufgerufen wird, sparsam mit dem Wasser umzugehen, weil die Trinkwasservorräte zu Neige gehen.

Einer Geduldsprobe werden alle Nutzer des Elbe-Lübeck-Kanals unterzogen. Auf dem 61 Kilometer langen Wasserweg von Lauenburg bis in die Hansestadt Lübeck beziehungsweise umgekehrt sind sieben Schleusen zu durchqueren. Weil diese ihren Normalpegel mit möglichst wenig Wasserverlust halten müssen, werden pro Schleusungsvorgang immer mehrere Kleinboote geschleust. Solange die Gruppe nicht beisammen ist, muss gewartet werden, was teils große Zeitverluste mit sich bringt.

Am meisten klagen - ausgenommen die Obstbauern - die Landwirte, egal ob sie Getreide anbauen oder Nutzviehbestände haben. Die meisten Rinder grasen gar nicht mehr auf der Weide, weil diese vollkommen verdorrt sind. Die Milchviehhalter haben ihre Tiere in den Stall geholt, doch auch die Futtermittel werden knapp. Stroh war selten so wertvoll wie im Moment, die Preise dafür steigen enorm. Viele Rinderhalter entschließen sich deshalb inzwischen zu Notschlachtungen. Das steigert zwar die Fleischmenge auf dem Markt und bringt dem Verbraucher rund zehn Prozent günstigere Preise. Da aber die Milchmenge zurückgeht, ist demnächst mit höheren Milchpreisen zu rechnen. Kirsten Wosnitza vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter: »Viele Bauern greifen die Vorräte an, die für den Winter gedacht sind, weil einfach nichts mehr wächst.«

Das Statistikamt Nord hat nach einer ersten Schätzung am Donnerstag mitgeteilt, dass die Getreide- und Rapsernte in Schleswig-Holstein im Vergleich zum vergangenen Jahr um ein Viertel geringer ausfallen wird. Im Raum Lauenburg kann es Beobachtern zufolge sogar zu Totalausfällen kommen.

Der Landesbauernverband hält sich zwar noch mit Stellungnahmen zurück. Einzelne Betriebsstätten aber sprechen derweil von einer existenzbedrohenden Situation. Und die Landwirtschaftskammer in Rendsburg beschäftigt sich mit Anfragen, ob auf den Bauernhöfen in Sachen Sortiment perspektivisch umgedacht werden müsse - etwa indem man sich mit Olivenanbau beschäftigt.