nd-aktuell.de / 24.07.2018 / Politik / Seite 6

Weit entfernt von Friedfertigkeit

Bundesregierung schickt weniger Waffen in die Türkei und nach Saudi-Arabien

René Heilig

»Die Bundesregierung verfolgt eine restriktive und verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik« - behauptet die Regierung und präsentierte gegenüber der Linksfraktion im Bundestag mit Genugtuung aktuelle, deutlich reduzierte Zahlen für Rüstungsexport in die Türkei und nach Saudi-Arabien. Zwischen dem Tag der Vereidigung des neuen schwarz-roten Kabinetts am 14. März und dem 30. Juni wurden Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter in die Türkei und nach Saudi-Arabien nur noch in Einzelfällen erteilt. Das geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die zuerst dpa vorlag. Für den NATO-Partner Türkei wurden fünf Genehmigungen mit einem Wert von zusammen 418 279 Euro positiv entschieden. In dem deutlich kürzeren Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 13. März 2018 waren noch 34 Exportgenehmigungen für die Türkei im Wert von 9,7 Millionen Euro erteilt worden. Im gesamten Jahr 2017 waren 138 Exportgenehmigungen im Wert von 34,2 Millionen Euro erteilt worden. 2016 hatten die Exportgenehmigungen sogar noch 83,9 Millionen Euro umfasst. Auch der Rüstungsexport nach Saudi-Arabien ging offenbar zurück. Die Regierung gab grünes Licht für Exporte in Höhe von 28 563 Euro. In den ersten zehn Wochen des Jahres waren es noch vier Rüstungsgeschäfte über 161,8 Millionen Euro gewesen.

Die Türkei ist zwar NATO-Partner und deshalb beim Export von deutschen Waffen privilegiert, doch nach dem gescheiterten Putsch im Jahre 2016 und der anschließenden Hatz Präsidents Recep Tayyip Erdogan auf türkische Oppositionelle sowie dem Einsatz auch deutscher Waffen beim Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien wuchs die Kritik. Gespannt sind auch die Beziehungen zu Saudi-Arabien. Grund: der Krieg in Jemen, der ebenfalls mit deutschen Waffen geführt wird. Die Regierung in Riad führt eine Allianz von acht Ländern an, die in Jemen gegen die schiitischen Huthi-Rebellen kämpft. Union und SPD hatten sich in ihren Koalitionsverhandlungen auf einen Rüstungsexportstopp für alle Länder verständigt, die »unmittelbar« an diesem Krieg beteiligt sind. Benannt wurden diese Länder nicht. Für die acht beteiligten Staaten wurde in den ersten 15 Wochen nach der Vereidigung der neuen Regierung neben dem einen Export nach Saudi-Arabien nur noch ein weiterer nach Jordanien für 150 000 Euro genehmigt. Für die sechs anderen Länder Ägypten, Bahrain, Kuwait Marokko, Vereinigte Arabische Emirate und Senegal gab es gar keine Export-Bewilligungen mehr. Im vergangenen Jahr hatte der Gesamtwert der Ausfuhrerlaubnisse für die acht Länder noch rund 1,3 Milliarden Euro betragen.

Der Linksfraktionsabgeordnete Stefan Liebich warnt gegenüber »nd« vor voreiligem Lob für die Bundesregierung. Nicht nur, dass sich die Zahlen - laut Regierungsaussage - »wegen möglicher Fehlerkorrekturen oder Nachmeldungen noch verändern können«. Liebich moniert vor allem: »Wir erfahren ja nur die Fakten, die sich ohnehin nicht verheimlichen lassen.« Die Bundesregierung sei weit entfernt von einer friedfertigen Exportpolitik, meint der Außenpolitikexperte, denn: Wie viele Bomben von den zahlreichen ausländischen Tochterfirmen deutscher Unternehmen an die Kriegsparteien geliefert werden, bleibe unbekannt. Ebenso nicht erfasst seien die deutschen Komponenten für den »Eurofighter«, der von Großbritannien an Saudi-Arabien geliefert wird, kritisiert Liebich. Auch zahlreiche nach Saudi-Arabien vergebene Lizenzen beispielsweise für Handfeuerwaffen von Heckler&Koch sind nicht widerrufen.

Vor knapp einer Woche hatte die Menschenrechtsorganisationen Facing Finance und urgewald eine Studie zur Waffenexport-Verwicklung deutscher Geldinstitute veröffentlicht. Fazit: Unbeeindruckt von Tod, Flucht und Vertreibung, haben deutsche Banken und Investoren in den vergangenen drei Jahren Geld in Rüstungskonzerne gepumpt, die den Nahen und Mittleren Osten massiv aufrüsten und insbesondere den Krieg in Jemen befeuern. Zehn von 17 untersuchten deutschen Banken sowie alle vier untersuchten deutschen Vermögensverwalter sind an solchen Rüstungsexporteuren beteiligt. Die untersuchten Banken unterstützten die Rüstungsfirmen zwischen 2015 und 2017 mit über neun Milliarden Euro in Form von Krediten und ausgegebenen Anleihen. Zu den größten Finanziers zählen die UniCredit Group/HypoVereinsbank und die Deutsche Bank. Es folgen die Commerzbank und die BayernLB. Die profitable Unterstützung ging an Firmen wie ThyssenKrupp, Rheinmetall oder US-Unternehmen wie Lockheed Martin, Boeing und Raytheon, die zu den Hauptlieferanten der Golf-Allianz gehören.

Fast zwei Drittel der Deutschen wollen einen Stopp aller Rüstungsexporte. Das ergab jüngst eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale Bremen sagen 76 Prozent von befragten Bankkunden, dass Investitionen in die Bereiche Rüstung und Waffen verboten werden sollten.