Gestürzter

Personalie

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 2 Min.

Man kann fast schon ein bisschen Mitleid mit Thomas Middelhoff haben. »Von der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bielefeld gegen mich erfuhr ich, wie auch bereits in der Vergangenheit, erneut durch die Medien«, schreibt der ehemalige Arcandor-Chef auf seiner Homepage. Stein des Anstoßes sind Recherchen des WDR und der »Süddeutschen Zeitung«, denen zufolge dem einstigen Topmanager und seinem Anwalt Hartmut Fromm vorgeworfen wird, vor Middelhoffs Privatinsolvenz im Juli 2014 Millionensummen beiseitegeschafft und so Gläubiger geprellt zu haben. Beide bestreiten die Vorwürfe. »Ich bin heute völlig vermögenslos«, erklärte Middelhoff am Mittwoch der Nachrichtenagentur dpa. Er habe lediglich innerhalb der rechtlichen Grenzen versucht, Asset Protection, also Vermögensschutz, zu betreiben.

Einst war Middelhoff einer der bekanntesten Konzernlenker des Landes, verdiente Millionen und flog mit dem Hubschrauber über Staus hinweg. Karriere machte der 65-Jährige zunächst beim Medienriesen Bertelsmann, den er von 1998 bis 2002 leitete. Nach einem kurzen Zwischenspiel bei einem Londoner Finanzinvestor stieg der Betriebswirt bei Karstadt ein. Im Mai 2005 übernahm er den Vorstandsvorsitz, um den Konzern, den er in Arcandor umbenannte, zu retten, wie Middelhoff selbst schreibt. Doch das Unternehmen geriet unter seiner Führung noch tiefer in die Krise. Kurze Zeit nachdem Middelhoff im März 2009 ausgewechselt wurde, musste der Konzern Insolvenz anmelden.

Bald wurden Vorwürfe laut, dass unter Middelhoffs Ägide bei Arcandor nicht alles mit rechten Dingen vor sich gegangen war. Im November 2014 verurteilte ihn das Landgericht Hessen wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft, im November 2017 wurde er vorzeitig entlassen. Middelhoff schrieb über seinen Prozess und seine Knastzeit ein Buch, das er nach dem Nummer seiner Gefängniszelle »A115 - Der Sturz« nannte. Heute gibt Middelhoff sich als geläuteter Christ. Ob er tatsächlich so geläutert ist, das muss demnächst wohl ein Gericht entscheiden. Mal wieder.

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