nd-aktuell.de / 26.07.2018 / Brandenburg / Seite 12

Wo der Apfel zur Königin wird

In einer Landmanufaktur in der Uckermark wird nicht nur Obst veredelt, sondern es werden auch alte Sorten erhalten

Jeanette Bederke

Biesenbrow. Am Anfang stand der Apfelwein eines Freundes. »Von dem waren wir begeistert und wollten das selbst ausprobieren«, erinnert sich Yvonne Tietze, die mit ihrer Familie 2009 aus der Großstadt Berlin nach Biesenbrow in die Uckermark gezogen war. Doch der Selbstversuch schmeckte ganz und gar nicht. Deshalb begannen die beiden hauptberuflichen Projektentwickler im Wohnungsbau vor drei Jahren, sich mit Sorten, Veredlung und Geschmack von Äpfeln zu beschäftigen.

Aus dem ursprünglichen Hobby wurde inzwischen ein zweites berufliches Standbein. »Königin von Biesenbrow« nennen sie ihre Landmanufaktur, in der nur Äpfel verarbeitet werden, die noch nie das Gras berührt haben. Fallobst ist für die hohen Qualitätsansprüche der beiden ungeeignet, bei ihnen kommen die Äpfel handverlesen vom Baum.

»Ein Winzer macht das letztlich auch nicht anders, der liest die Trauben auch nicht vom Boden auf«, sagt Mathias Tietze. Dass dieser Vergleich durchaus seine Berechtigung hat, zeigt sich in seinem Gewölbekeller. 3500 Flaschen lagern hier, einige kopfüber in sogenannten Rüttelregalen, was an die französische Champagnerherstellung erinnert.

Der ganze Stolz der Tietzes ist der eigene Schaugarten für Apfelsorten auf dem heimischen Grundstück. Das Genmaterial dafür fanden sie in der Brandenburger Obstbauversuchsstation in Müncheberg (Märkisch-Oderland). Deren Leiter, der promovierte Agraringenieur Hilmar Schwärzel, unterstützte die Apfel-Neulinge nur zu gern, wie er sagt.

»Sie leisten einen Beitrag zum Erhalt der genetischen Vielfalt, heutzutage alles andere als selbstverständlich«, sagt der 58-Jährige, der von Obstbauern und Kleingärtnern als Apfelpapst verehrt wird. Seit 1986 hat sich Schwärzel der Pflege und dem Erhalt alter Kulturpflanzen verschrieben, allein mehr als 1000 unterschiedliche Apfelsorten pflegt und hütet er in Müncheberg.

»Wenn ich mein Wissen nicht weiter gebe, geht es irgendwann verloren«, erklärt er sein Engagement für die Familie Tietze. Das Paar war begeistert von der Geschmacksvielfalt, die die unterschiedlichen Sorten ihnen offenbarten - von rhabarbersauer bis zuckersüß. »Es hat uns einfach gepackt«, bekennt die 44-jährige Geschäftsfrau aus Biesenbrow.

Insgesamt 3000 Apfelbäume, nicht nur im Schaugarten, sondern auch auf einer eigenen Plantage, liefern in Biesenbrow Äpfel von 230 unterschiedlichen Sorten. 80 davon - etwa 20 Tonnen insgesamt im Jahr - werden verarbeitet, der Rest dient als Gendatenbank. In der eigenen Mosterei pressen die Wahl-Uckermärker sortenreine Säfte.

Ein Drittel davon wird verkauft, der größere Rest aber wird zu Apfelwein vergoren - sechs bis acht Wochen lang ohne weitere Zusätze. Anschließend filtriert, reift der Wein weitere sechs bis zwölf Monate. Durch eine zweite Gärung mit Zucker und französischer Hefe verwandelt sich der in Flaschen gefüllte Wein in spritzigen Crémant, der zwei Jahre ruht und anschließend 28 Tage lang gerüttelt wird.

Neu bei Tietzes ist das Barrique-Verfahren. Der Apfelwein wird mit einem Destillat versetzt und in Holzfässern gelagert, bekommt eine dunkle, fast rotbraune Färbung. »Das ist unser Aperitif La Reine des pommes. Inspiriert dazu hat uns die spanischer Sherry-Herstellung«, verrät der Hausherr.

Die hochwertige Verarbeitung dauert vom Apfel bis zum Produkt drei bis vier Jahre und hat dann auch ihren Preis. »Tietzes setzen auf Klasse statt Masse, sie haben den Apfel aus der Billigecke geholt«, sagt Experte Schwärzel. »Und die Nachfrage bestätigt, dass ihre Herangehensweise richtig ist.«

Apfelveredeler gebe es bereits einige in der Uckermark, sagt Yvonne Tietze und nennt Daisy von Arnim als großes Vorbild. Die Adlige hat sich als Apfelgräfin im Boitzenburger Land mit Gelees und Chutneys einen Namen gemacht.

»Wir sind keine Konkurrenz, sondern ergänzen uns. Je mehr wir sind, umso eher können wir eine richtige Apfelkultur entwickeln«, ergänzt Mathias Tietze. Nächstes Projekt in Biesenbrow ist ein alkoholfreier Apfelwein. »Es gibt Sorten, die dafür das richtige Potenzial haben«, meint er vielsagend. dpa/nd