nd-aktuell.de / 27.07.2018 / Berlin / Seite 11

Syrer sollen bei Botschaft vorsprechen

Mit einer Kundgebung vor der Ausländerbehörde protestierten Aktivisten gegen eine zunehmende Praxis des Amts

Johanna Treblin

Drastik wirkt. Seit 8 Uhr steht am Donnerstagmorgen eine kleine Gruppe von etwa zehn Menschen vor dem Eingang zur Ausländerbehörde am Friedrich-Krause-Ufer in Wedding. Vier junge Menschen halten ein Transparent, eine Frau verteilt Informationszettel. Die meisten Besucher der Behörde gehen wortlos vorbei, nur wenige nehmen die Din-A4-Blätter entgegen. Nach 9 Uhr ändert sich das Bild: Eine Frau, in Grün und Schwarz gekleidet, Farben der syrischen Flagge, breitet ein Plakat auf dem Boden aus, das Kriegsschauplätze in Syrien zeigt, daneben legt sie Stofftiere und Babystrampler mit roten Farbspritzern - sozusagen blutverschmiert. Erst jetzt bleiben viele Menschen vor der Gruppe mit dem Plakat stehen und wollen wissen, worum es geht.

»Kein Geld für Völkermordbotschaften« steht auf Deutsch, Arabisch und Englisch auf dem Transparent. Ein weiteres kleines Protestposter fordert: »Stop den Zwang zum syrischen Botschaftsgang«. Die Demonstranten protestieren gegen eine zunehmende Praxis von Behördenmitarbeitern, Syrer an die syrische Botschaft zu verweisen, um sich dort einen Pass ausstellen oder verlängern oder ihre Identität feststellen zu lassen.

Das Aufenthaltsgesetz schreibt eine Passpflicht und eine geklärte Identität für diejenigen vor, die in Deutschland einen Aufenthaltstitel erhalten wollen. Der gleiche Paragraf im entsprechenden Gesetz sagt aber auch, dass diese Pflicht für jene wegfällt, die als Flüchtling anerkannt sind.

Laut Senatsinnenverwaltung wurde die Verfahrungspraxis im April auf Wunsch des Bundesinnenministeriums hin geändert. Bis dahin wurde für alle Subsidiär Schutzbedürftige »pauschal von einer Unzumutbarkeit der Passbeschaffung ausgegangen«, sagte ein Sprecher dem »nd«. Seit April erfolge eine Einzelfallprüfung.

Der Kontakt zur Botschaft habe konkrete negative Auswirkungen auf diejenigen, die dort vorsprechen, aber auch eine politische Dimension kritisiert die lose Gruppe aus Syrern, Deutschen, Iranern und anderen. Wer lediglich subsidiären Schutz erhalten habe und auf Anerkennung als Flüchtling nach Genfer Flüchtlingskonvention klage, verbaue sich durch den Botschaftskontakt die Möglichkeit, heißt es. Sophia Deeg, Sprecherin der Gruppe, sagt zudem: »Die Syrer liefern sich in der Botschaft den syrischen Geheimdiensten aus.« Damit gefährdeten sie sich selbst und ihre Familienmitglieder, die noch in Syrien lebten. Ein weiterer Kritikpunkt: »Die Praxis zeigt, dass Deutschland das syrische Regime wieder anerkennt und die Botschaft als legitime Vertretung anerkennt.« Das könne auch als vorbereitende Maßnahme gedeutet werden, Syrer bald wieder zurückzuschicken.

Dass die Demonstranten das in Syrien herrschende System ablehnen, zeigen sie auch mit einer durchgestrichenen syrischen Flagge auf dem Transparent, die seit 1980 gilt. Eine Frau trägt stattdessen die Staatsflagge, die bis 1963 galt und heute auch von der Freien Syrischen Armee verwendet wird.