nd-aktuell.de / 30.07.2018 / Berlin / Seite 12

Schüler soll einziges Zimmer untervermieten

»Das sei bei Auszubildenden keinesfalls unüblich« sagt das Berliner Sozialgericht

Alina Leimbach

Keine reichen Eltern, aber dennoch irgendwie Schule oder Ausbildung stemmen? Dafür gibt es das Schüler BAföG. Doch das ist jämmerlich wenig: Gerade einmal 500 Euro Pauschalsatz gibt es für Miete, Kleidung und Essen für alle, die nicht mehr zuhause leben. Weil das hinten und vorne nicht reicht, beantragen viele Sozialgeld – dem Antrag wird in den meisten Fällen stattgegeben.

Nicht so im Fall eines gerade volljährig gewordenen geflüchteten Schülers aus Berlin. Er ist geduldeter Asylbewerber und hat ebenfalls ergänzende Sozialhilfe beantragt. Doch das Sozialgericht Berlin hat seinen Antrag nun abgelehnt. Die Begründung, die die für seinen Fall zuständige Kanzlei Schindler und Elmenthaler auf Facebook öffentlich machte: Er könne ja eine Couch in seiner Ein-Zimmer-Wohnung untervermieten.

Dazu führt das Berliner Sozialgericht noch einen Link zu einer Anzeige auf Ebay Kleinanzeigen an, wo ein Schlafplatz auf einem Sofa für 39 Euro die Nacht angeführt wird. Das Sozialgericht hat diese 39 Euro noch mit einem Ausrufezeichen versehen. »Bei einer dauerhaften Untervermietung eines Schlafplatzes mit Mitbenutzung von Küche und Bad sollten (..) im Bereich von 150-200 Euro monatlich möglich sein«, schreibt es danach.

»Das ist mir noch nie untergekommen«, sagt der Anwalt des Schülers, Jan Becker. »Dass man sich ein einziges Zimmer mit einer zweiten, fremden Person teilte, gab es in Deutschland zuletzt im 19. Jahrhundert.« Auch von Hartz-IV-Beziehenden werde es nie verlangt, das einzige bewohnbare Zimmer unterzuvermieten. Das Zimmer des 18-Jährigen sei überdies sehr klein. Die gesamte Wohnung des Schülers zählt – inklusive Küche und Bad – gerade einmal 28 Quadratmeter.

»Er kam als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland und hat deswegen auch nicht die Möglichkeit zurück zu seine Eltern oder Verwandten zu ziehen, um Geld zu sparen«, sagt Becker. Auch eine Arbeit aufzunehmen sei ihm als geduldeten Asylbewerber derzeit nicht möglich. »Die einzige Möglichkeit, die er hätte, wäre es die schulische Ausbildung wieder abzurechnen und dann Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu beziehen.« Jene Leistungen liegen mit mindestens 354 Euro zusätzlich zu den Mietkosten deutlich höher als die 500 Euro, die der Schüler durch das BAföG insgesamt zur Verfügung hat.

Doch Anwalt Becker erhebt noch einen weiteren schweren Vorwurf gegen das Gericht. »Wenn sie von ihm verlangen das Zimmer unterzuvermieten, drängen sie ihn im schlimmsten Fall sogar in die Illegalität.« Denn gewerbliche Untervermietung eines geteilten Zimmers müsse vom Vermieter genehmigt werden. Das sei bei nur einem kleinen Zimmer nicht wahrscheinlich. »Und auch mit dem Berliner Zweckentfremdungsgesetz könnte es für ihn im Fall der dauerhaften gewerblichen Vermietung Probleme geben.«

Die Kanzlei hat nun im Eilverfahren Beschwerde gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Das Berliner Sozialgericht war am Freitagnachmittag für eine Stellungnahme nicht mehr zu erreichen.