nd-aktuell.de / 05.08.2018 / Politik

Deutscher Staat kürzt NS-Opfern die Rente

Die LINKE spricht von einem Skandal.

Berlin. Die Bundesregierung will trotz scharfer Kritik an einer bisher kaum bekannten Praxis festhalten, wonach NS-Opfern bei einem Pflegeheimaufenthalt die Opferrenten um fast die Hälfte gekürzt werden. «Eine Änderung ist nicht vorgesehen», teilte ein Sprecher von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) der Deutschen Presse-Agentur mit.

Der Sohn des Anfang Juli in Bremen verstorbenen Wehrmacht-Deserteurs Ludwig Baumann soll rund 4000 Euro an demnach zuviel erhaltener Opferrente zurückzahlen[1]. «Das ist ein Unding, das geht gar nicht», sagte André Baumann der dpa. Die Begründung dafür sei, dass man im Heim ja voll versorgt werde. Der Parlamentarische Geschäftsführer der LINKEN-Fraktion, Jan Korte, sprach von einem Skandal.

«Es ist sehr beschämend, dass hochbetagten Überlebenden des NS-Terrors in ihren letzten Lebensjahren so eine Diskriminierung angetan wird», sagte Korte der dpa. «Das erlittene Unrecht wird ja nicht kleiner, wenn der Betroffene ins Pflegeheim gehen muss». Die LINKE wolle das revidieren. «Ich hoffe, dass sich eine breite Mehrheit im Bundestag unserer Forderung anschließen wird», betonte Korte.

Baumann bezog seit 1993 NS-Opferrente, zuletzt 660 Euro monatlich - dies war in ein «Heimtaschengeld von 352 Euro umgewandelt worden, wie aus Schriftwechseln hervorgeht, die der dpa vorliegen. Da aber der genaue Zeitpunkt des Umzugs ins Heim offensichtlich zunächst nicht bekannt war, kam es zu der Nachforderung an den Sohn Baumanns.

Der Ministeriumsprecher betonte, bei einem Umzug aus einer Wohnung in ein Alten- oder Pflegeheim würden die bedarfsorientierten Leistungen der Härterichtlinie des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes angepasst, »da insbesondere andere Einrichtungen hinzutreten, die anfallende Kosten übernehmen und sich dadurch die Bedarfsstruktur ändert.«

In den Bewilligungsbescheiden würden die betroffenen Personen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Wechsel in ein Pflegeheim mitzuteilen sei. »Wenn diese Anzeige jedoch über einen längeren Zeitraum unterbleibt, kann sich gegebenenfalls ein entsprechender Rückforderungsbetrag aufbauen.« Die Gesamtaufwendungen im Jahr 2017 für NS-Opferrenten und Entschädigungen an Euthanasieopfer oder Zwangssterilisierte betrugen 733.532,13 Euro. Die durchschnittliche Leistung in diesen Fällen betrage circa 600 Euro monatlich, hieß es.

Noch im November 2015 hatte der heute zuständige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) als Hamburgs Bürgermeister mit dem nun verstorbenen Baumann ein Denkmal für Deserteure in der Hansestadt an der Elbe eingeweiht. dpa/nd

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1096244.nur-taschengeld-fuer-ns-opfer-im-heim.html