nd-aktuell.de / 06.08.2018 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Teure diplomatische Verstimmung

Der Streit mit den USA geht weiter und trifft inzwischen auch die türkische Wirtschaft

Jan Keetmann

Nach dem Treffen zwischen dem US-Außenminister Mike Pompeo und seinem türkischen Kollegen Mevlüt Cavusoglu am vergangenen Freitag in Singapur schlugen beide Seiten im Streit um die Freilassung des US-Pastors Andrew Brunson versöhnliche Töne an. Wieder zu Hause hören sich die Kontrahenten aber nicht so an, als werde an einer raschen und stillen Lösung im Fall des Pastors gearbeitet. Wegen Vorwürfen, die ein anonymer Zeuge erhebt, drohen Brunson in der Türkei bis zu 35 Jahre Haft.

Pompeo hat klar gemacht, dass die USA die Sanktionen gegen zwei türkische Minister nicht aufheben will, wenn nicht auch andere US-Staatsbürger aus türkischer Haft entlassen werden. Allgemein bekannt ist nur ein weiterer Fall, der des Physikers und NASA-Mitarbeiters Serkan Gölge, der am 8. Februar während eines Türkeiaufenthaltes wegen Terrorverdachts festgenommen wurde. Außerdem befinden sich zwei türkische Mitarbeiter des US-Konsulats in Istanbul wegen Terrorverdacht in Haft.

Noch kämpferischere Töne als Pompeo schlägt nun Cavusoglu an: »Wenn jeder wegen seines Staatsbürgers anfängt mit anderen Ländern zu streiten, dann müssen wir gegen einige Länder den Krieg eröffnen«, sagte der Außenminister bei einem Besuch in Alanya. Einige Länder würden Agenten in die Türkei schicken. »Insbesondere senden sie Journalisten als Agenten«, so Cavusoglu weiter. Damit dürfte der Fall Deniz Yücel angesprochen gewesen sein. In der Türkei gebe es aber »Justiz und Gesetze«, so Cavusoglu.

Allerdings gäbe es auch eine konstruktive Zusammenarbeit mit den USA gegen die PKK im Irak. Gemeint ist wohl die Weitergabe von Geheimdienstinformationen. Das heiße aber nicht, »dass wir Fethullah Gülen vergessen haben«, so Cavusoglu. Man glaubt es ihm, hat der türkische Geheimdienst doch gerade versucht, einen Lehrer mit Kontakten zur Gülen-Sekte in der Mongolei zu entführen.

Hinter den Kulissen dürfte es noch um andere Themen gehen. Wegen der Umgehung von Sanktionsmaßnahmen der USA gegen Iran steht in New York der ehemalige Vizedirektor der Halkbank, Mehmet Hakan Atilla, vor Gericht. Die Türkei möchte, dass er freigelassen wird und dass die Halkbank mit einer milden Geldstrafe davonkommt.

Nun droht zudem eine neue Krise mit den USA wegen der Iran-Sanktionen. So sieht es der ehemalige türkische Botschafter in Washington, Faruk Logoglu. Die Freilassung Brunsons sei ein Thema für evangelikale Wähler in den USA bei den Kongresswahlen im November, betont er. Aber auch wenn Brunson bei der nächsten Verhandlung am 14. Oktober aus seinem Hausarrest entlassen werde, ginge der Streit mit den USA weiter, denn ab November wollen die Vereinigten Staaten die iranischen Erdgas und Erdölexporte stoppen. Genau dann, wenn man in Anatolien das iranische Erdgas zum Heizen braucht. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat bereits erklärt, dass sich die Türkei nicht an dem Embargo beteiligen wird. In Erdogans Umfeld könnte man zu dem Schluss gekommen sein, dass es sich angesichts der vielen Probleme mit den USA nicht lohne, Brunson bald freizulassen, wozu Erdogan laut einem vor einem Jahr verabschiedeten Gesetz durchaus ermächtigt wäre.

Die andere Frage ist, wie lange die türkische Wirtschaft den Streit mit den USA verkraftet. Zwar haben die Sanktionen gegen zwei Minister so gut wie keine direkten Auswirkungen, aber der Streit trübt das Klima. Nach der Verkündung der Sanktionen brach der Kurs der Lira um fünf Prozent ein und hat sich davon bisher nicht erholt. Ohnehin schwächelt die Lira. Parallel dazu steigt die Inflation und hat im Juli knapp 16 Prozent erreicht.

Wegen des schwachen Lira-Kurses musste die Zentralbank die Zinsen erhöhen, in der Folge brachen die Automobilverkäufe ein - im Juni um 39 und im Juli um 36 Prozent. Zwar macht Erdogan Druck auf die Zen- tralbank, die Zinsen nicht weiter zu erhöhen, doch das verstärkt nur die Flucht aus der Lira. Das hohe Wirtschaftswachstum der letzten Jahre wurde unter anderem mit Infrastrukturprojekten wie Brücken, Kraftwerken und Flughäfen befeuert, die von privaten Investoren finanziert wurden. Erdogan kassierte den Ruhm für die Bauten, die Baufirmen liehen sich Geld im Ausland, das sie nun mit ihren Einnahmen aus den Projekten zurückzahlen müssen. Die Einnahmen sind in Lira, die Kredite lauten aber in Devisen und die sind wegen Brunson noch einmal teurer geworden.