nd-aktuell.de / 15.08.2018 / Ratgeber / Seite 23

Mindestlohn verfällt nicht schon nach wenigen Monaten

Urteil des Bundesarbeitsgerichts

Unabhängig von ihrer tatsächlichen Vergütung haben Arbeitnehmer danach drei volle Kalenderjahre Zeit, Lohnansprüche zumindest in Höhe des Mindestlohns geltend zu machen. Zudem darf danach der Mindestlohn auch bei der Lohnfortzahlung wegen Krankheit nicht unterschritten werden, so urteilte das Bundesarbeitsgericht am 20. Juni 2018 (Az. 5 AZR 377/17).

Damit gab das BAG einem Bauarbeiter aus Hessen recht. Er war zu Ende Oktober 2015 entlassen worden, meldete sich zuletzt aber krank. Der Arbeitgeber leistete für September 2015 noch Lohnfortzahlung, im Oktober 2015 aber nicht mehr.

Erst im Januar 2016 reichte der Bauarbeiter Klage ein und verlangte zunächst die Nachzahlung seiner vollen tariflichen Vergütung von 13 Euro pro Stunde. Der Arbeitgeber wehrte sich dagegen mit Verweis auf die tarifliche sogenannte Ausschlussfrist. Danach müssen gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag innerhalb von zwei Monaten geltend gemacht werden. Solche Fristen sind in fast allen Tarifverträgen oder individuell im Arbeitsvertrag enthalten. In der Praxis sind sie oft etwas länger.

Vor dem BAG argumentierte der Bauarbeiter zuletzt noch, die Frist könne zumindest nicht für den gesetzlichen Mindestlohn von damals 8,50 Euro (heute 8,84 Euro) gelten.

Das BAG entschied nun zunächst, dass der Mindestlohn auch für die Lohnfortzahlung gilt. Zwar beziehe sich das Mindestlohngesetz nur auf tatsächlich geleistete Arbeit, während der Lohnfortzahlung seien Arbeitnehmer aber so zu stellen, als hätten sie gearbeitet.

Aus dem Schutzzweck des Gesetzes ergebe sich zudem, dass der Mindestlohnanspruch nach Ablauf einer Ausschlussfrist nicht verfällt. Denn der Gesetzgeber habe den Mindestlohn als Untergrenze der Vergütung sichern wollen. Die gesetzliche Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren bleibt davon aber unberührt.

Bei Tarifverträgen weniger scharfe gerichtliche Kontrolle

In einem weiteren Fall urteilte das Bundesarbeitsgericht (Az. 5 AZR 262/17), dass jedenfalls eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist gehemmt wird, solange Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine gütliche Einigung verhandeln. Daher musste das BAG nicht mehr entscheiden, ob eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist insgesamt unwirksam ist, wenn sie den Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnimmt. Für tarifliche Fristen gilt dies nicht, weil Tarifverträge einer weniger scharfen gerichtlichen Kontrolle unterliegen. AFP/nd