Fahrräder, Bierfässer und Einkaufswagen

Bayern: Im Kraftwerk Altheim kann man gesellschaftliche Entwicklungen am Stromverbrauch ablesen - und am Müll in der Isar

  • Ute Wessels, Altheim
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn am ersten Weihnachtstag in deutschen Öfen eine Gans schmort, schnellt der Stromverbrauch in die Höhe. »Das ist jedes Jahr einer der verbrauchsreichsten Tage«, erzählt Reinhard Hartl. Der 53-Jährige ist stellvertretender Betriebsmeister im Wasserkraftwerk an der Isar in Altheim bei Landshut und einer von neun Mitarbeitern, die in den acht Kraftwerken entlang der Isar bis Deggendorf arbeiten. Betreiber ist der Energiekonzern Uniper. Von Landshut aus werden die Kraftwerke ferngesteuert.

Bei einem Wasserdurchfluss von 330 Kubikmetern/Sekunde erzeugt das Kraftwerk eine Leistung von 18 Megawatt in der Stunde. Ein durchschnittlicher Zwei-Personen-Haushalt verbraucht im Jahr 3,5 Megawatt.

Die Stromanzeige beim Netzbetreiber schlägt auch jeden Abend um 20 Uhr aus - Hartl nennt es die »Tagesschau«-Spitze. Dagegen gehört die Kochspitze zur Mittagszeit der Vergangenheit an - die klassische Hausrau, die mittags kocht, gibt es kaum noch. Gesellschaftliche Entwicklungen sind eben auch am Stromverbrauch ablesbar - und am Müll in der Isar, wie die Mitarbeiter des Kraftwerkes erleben.

Früher waren 35 Mitarbeiter in den acht Kraftwerken beschäftigt, sagt der Fachmann. Heute würden die Anlagen von Landshut aus ferngesteuert, die Wartungsarbeiten übernähmen externe Unternehmen. Fast täglich kommt ein Mitarbeiter zur Kontrolle ins Kraftwerk. Heute ist Josef Hobmeier im Einsatz. Sollte die Fernsteuerung in Landshut ausfallen, könnte er von der Schaltzentrale in Altheim aus eingreifen. Er sei durchaus auch ein bisschen der Hausmeister, sagt Hobmeier scherzhaft. Der Kraftwerker kümmert sich auch um die Post oder führt Besuchergruppen durch die Anlage.

Zu den wichtigsten Aufgaben gehört jedoch die Kontrolle des Rechens am Kraftwerkswehr. Vor allem Zweige und Baumstämme verfingen sich darin, sagt Hartl. Aber auch Wohlstandsmüll: Plastikflaschen, Fahrräder, Kleidungsstücke oder auch mal ein Einkaufswagen. Während des Traditionsfestes »Landshuter Hochzeit« hätten sie zahllose Fünf-Liter-Bierfässer aus dem Wasser gefischt. Es gibt fast nichts, was hier nicht irgendwann hängen bleibt. Ist Schwemmgut zu groß - etwa ein 20-Meter-Baum - und kann nicht maschinell gefiltert und in den Müllcontainer verfrachtet werden, hilft ein externer Dienstleister mit einem Kran nach. Zuletzt wirkten sich Hitze und Trockenheit auch an der Isar aus: Etwa 130 bis 140 Kubikmeter Wasser führt die Isar normalerweise pro Sekunde mit sich - in den vergangenen Tagen waren es teils nur 90. In seinen bald 35 Berufsjahren habe er lediglich einen ähnlich trockenen Sommer erlebt, berichtet Hartl beim Rundgang über das Gelände.

Extremhochwasser sorgt im Kraftwehr häufiger für Ausnahmezustände. Dann strömt die Isar mit 1200 Kubikmetern Wasser je Sekunde durch das Flussbett - wie zuletzt beim Hochwasser 2013, als bei Deggendorf der Isardamm brach und die Wassermassen den Stadtteil Fischerdorf untergehen ließen. Um bei Hochwasser die Durchflussmenge zu erhöhen, wird die Wand am Wehr - die sogenannte Schütze - über Ketten hochgezogen und so das Wehr geöffnet.

Regelmäßig kontrolliert einer der Mitarbeiter den Sauerstoffgehalt im Wasser - der Fische wegen. Das sei gerade bei der Hitze wichtig. Würde der Wert ein Minimum unterschreiten, müsste am Wehr eine Klappe geöffnet werden, damit das Wasser hindurch rauscht und so für Verwirbelung und neuen Sauerstoff sorgt. Der Tiefstwert sei aber noch nicht unterschritten worden. Hartl verweist auf die 2015 errichtete Fischtreppe. In dem idyllischen Bächlein können die Isarbewohner das Kraftwerk passieren. dpa/nd

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