nd-aktuell.de / 14.08.2018 / Berlin / Seite 12

Mückenjägerin sucht Helfer

Wissenschaftlerin braucht Unterstützung aus der Bevölkerung, um ihre Forschung voranzubringen

Gisela Goss

Mit dem Spezialgerät an der langen Stange saugt Nadja Pernat verwilderte Gräber ab. Eine Art Handstaubsauger, nicht lauter als ein Föhn - damit fährt sie durch Büsche und Sträucher. Die Biologin mit dem großen Rucksack, aus dem ein Kabel und ein Kescher herausragen, erinnert nicht nur an die Geisterjäger aus den »Ghostbusters«-Filmen, sie hat es auch tatsächlich auf Plagegeister abgesehen. Wenn auch auf vergleichsweise harmlose: Stechmücken.

Mit ihrem Mückensauger holt Pernat an diesem Sommermorgen in Schöneberg neben abgestorbenen Blättern jedoch nur einzelne Ameisen, eine kleine Spinne und eine Feuerwanze aus ihren schattigen Verstecken. Diese Insekten lässt sie umgehend wieder laufen. »Manchmal stoße ich den Sauger auch ins Gebüsch und hoffe, dass irgendetwas auffliegt«, sagt die Wissenschaftlerin. Doch es fliegt nichts auf an diesem Tag - wie auch an so vielen Tagen zuvor. In Berlin herrscht nach monatelanger Dürre Mückenmangel, jedenfalls für Nadja Pernat. Die Doktorandin am Leibniz-Zentrum für Agrarlandforschung (ZALF) im brandenburgischen Müncheberg erforscht Berliner Mücken. Es geht ihr vorrangig um bevorzugte Brutstätten und möglicherweise bestehende Flugstrecken in Wohngebiete. Daneben will Pernat erstmals nach Jahrzehnten wieder Ergebnisse zur Mückenvielfalt in Berlin vorlegen - hierzulande gibt es um die 50 Stechmückenarten.

Pernats Chefin Doreen Walther ist bundesweit für den »Mückenatlas« bekannt. Das Projekt setzt auf das Engagement interessierter Bürger: Jeder kann gefangene tote Mücken einschicken, das Team bestimmt dann, um was für Mücken es sich handelt und kartiert den Fund. Von besonderem Interesse sind invasive Arten wie die Asiatische Buschmücke und die Asiatische Tigermücke, die etwa Krankheitserreger übertragen können und die sich auch hierzulande ausbreiten.

Für die Experten ist es nur eine Frage der Zeit, bis diese Arten auch in Berlin ankommen. »Wir interessieren uns generell für Städte, da sie wie ein Schmelztiegel sind«, sagt Pernat mit Blick auf Handel und Tourismus. Denn mit Autos, Lastern, Flugzeugen und Containern gelangen die reisefreudigen Mücken auch in unsere Breiten. Eine Tigermücke aus einer Berliner Wohnung, die 2017 beim »Mückenatlas« einging, wurde zwar vermutlich nur eingeschleppt. In anderen östlichen Bundesländern gibt es jedoch bereits Nachweise: In Thüringen überwintere die Tigermücke, in Sachsen-Anhalt die noch anpassungsfähigere Buschmücke, sagt Pernat. Als etabliert gelten Populationen, die mindestens drei Generationen in Folge nachgewiesen werden - bei der wärmeliebenden Tigermücke komme die Überwinterung hinzu. An diesem Tag ist die Biologin mit der Ausbeute aus den Fallen zufrieden, insbesondere auf dem Friedhof. Einige stäbchenförmige Mückenlarven sind mit bloßem Auge zu erkennen. Dazu kleine dunkle Klümpchen, sogenannte Ei-Schiffchen aus bis zu 300 Eiern, wie Pernat erklärt. »Das bedeutet richtig Arbeit im Labor.« Denn die Eier sollen ausgebrütet, die erwachsenen Insekten eingefroren und schließlich untersucht werden. Dass unter den seit April eingefangenen Larven invasive Arten sind, hält Pernat eher für unwahrscheinlich. Die Fläche, die sie bis Ende Oktober untersucht, ist ein winziger Teil der Stadt.

Um trotz des bisher mauen Mückenjahres mehr Daten zu gewinnen, appelliert das Team vom »Mückenatlas« an alle Berliner, selbst gefangene - aber keine zerquetschten - Mücken einzuschicken. In Wohnungen, Privatgärten und Büros, wo die gesundheitliche Relevanz besonders groß wäre, sind den Forschern schließlich ohnehin Grenzen gesetzt. Eine ausführliche Anleitung zum Fangen und Einsenden gibt es auf der »Mückenatlas«-Webseite. dpa/nd